11.11.2011: Beat Kaestli & Trio – Jazzclub Biberach e.V.

11.11.2011: Beat Kaestli & Trio

Jazzkeller Biberach

Far From Home – Mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks in den Sonnenaufgang

BIBERACH – Nein, eines hat er in den 18 Jahren, die er nun schon in New York weilt bestimmt nicht verlernt. Die Präzision eines Schweizer Uhrwerkes durchpulst die Musik des Schweizer Ausnahmesängers Beat Kaestli trotz der vielfältigen stilistischen Einflüsse, die mittlerweile seinen Personalstil kennzeichnen. Gleich dreisprachig (Deutsch, Englisch, Schwyzerdütsch) führte Kaestli amüsant und kurzweilig durchs Programm. Beim Konzert im Biberacher Jazzkeller hat er trotz seiner Hommage an das europäische Lied mehr als nur einen Hauch der großen weiten Welt unters Publikum gebracht. Intonation und Timing waren perfekt, die Arrangements ausgefeilt, bestens einstudiert und auch von seinem gut aufgestellten Begleittrio absolut professionell interpretiert und aufgeführt. Vor allem der Pianist und Wahl-New Yorker Tino Derado glänzte dabei mit vielseitigen Improvisationen.

 

Offenbar hat den eloquenten Schweizer Monolithen auch das amerikanische Tagesgeschäft, das ihn zur musikalischen Umrahmung von Einweihungsfeierlichkeiten im Guggenheim-Museum oder anderen herausragenden gesellschaftlichen Events führt, noch nicht so weit abgeschliffen, dass er – zumal auf der Jazzspielwiese Europas – nicht auch eigene, ja sogar bisher unveröffentlichte Einblicke in sein künstlerisches Schaffen geben würde. Das Biberacher Publikum war ihm dankbar dafür. Am meisten Spaß schien das dafür auch reichlich mit Applaus belohnte Quartett aber mit vielfach variierten populären Standards, meist aus der europäischen Songtradition zu haben. Hier durfte es schon mal eine spritzige Version von „Blackbird“ aus dem weißen Album der Beatles sein, oder auch die xte Auflage des Operettenschlagers „Softly, as in a morning sunrise“, vorgetragen mit dem pomadigen Schmelz eines argentinischen Tangosängers. Auch stimmungsvolle französische Chansons gewannen im amerikanischen Jazzidiom eine neue Bedeutung.

 

Virtuos schlüpfte Kaestli in immer neue Rollen und blieb dabei immer gefällig, unterhaltsam und doch er selbst. Vielleicht, da oder dort, zumal für eingefleischte Jazzfreaks, etwas zu unterhaltsam und wenig risikofreudig. Muss das Neue nicht manchmal auch verstören und aufrütteln? Natürlich wird sich, stromlinienförmig im Mainstream treibende, auf Hochglanz gebrachte Zweckmusik leichter ihren Platz erobern als das verstörend Unübliche, es gilt ja, im Geschäft zu bleiben. Das beste Gericht wird jedoch, wenn die richtige Würze fehlt, bei aller Romantik als zu fade empfunden. Dessen ungeachtet erklatschte sich das begeisterte Publikum gleich zwei Zugaben, die erste davon war dann auch glücklicherweise nochmal richtig pikant gewürzt und rückte das Bild auch für den Berichterstatter wieder gerade. Kaestlis weiterer Weg auf der Tournee nach Mittel- und Südamerika wird sicher ein großer Erfolg werden.

 

Gez. Dr. H. Schönecker