11.05.2012: Lorenz Kellhuber Trio – Jazzclub Biberach e.V.

11.05.2012: Lorenz Kellhuber Trio

Lorenz Kellhuber Trio im Jazzkeller

Junger Trio-Jazz vom Feinsten

„Schwere schöne Standards“ spielt das Lorenz Kellhuber Trio, so die Ankündigung im Programmflyer des Jazzclubs. Aber die Überraschung über die im Freitagskonzert des Biberacher Jazzclubs dann gebotenen „Standards“ war groß. Klingt beim Begriff „Standard“ immer auch „normal“ oder gar „gewöhnlich“ mit, war genau dem aber hier nicht so. Die „Standards“ vom Lorenz Kellhuber Trio waren außerdem, von einer einzigen Ausnahme abgesehen (Cole Porters „Everything I love“) auch keine „Standards“ im Sinne der guten alten Improvisationsvorlagen aus Schlager und Musical, wie im Jazz so oft üblich. Die gebotenen Stücke waren fast ausnahmslos Eigenkompositionen. Das Besondere daran: die Eigenkompositionen Kellhubers wirkten trotz ihres individuellen Zuschnitts und innovativen Charakters wie bewährte Kompositionen großer Meister. Sie überzeugten nicht nur durch perfekte Virtuosität und Präzision in der Ausführung, sie waren eingängig, abwechslungsreich, stets ausdrucksvoll und voller Esprit. Dabei gelang Kellhuber, Finalist beim Biberacher Jazzpreis 2010, eine perfekte Mischung aus „innerer Romantik“ und „äußerem Maß“, die niemals aus der Balance kam.

Die stilistische Bandbreite war dabei beachtlich, selbst vor einem waschechten Blues zeigte das Trio keine Berührungsängste. Natürlich geriet aber auch diese archaische Jazzform unter dem Zugriff Kellhubers zu einer vielschichtigen, stilübergreifenden Hommage an viele berühmte Vorbilder. Vom majestätischen Klanggemälde im vollgriffigen Klaviersatz zu rasant perlenden Klangkaskaden und filigranen Arabesken reichte die pianistische Palette des erst 22jährigen Musikers. Trotz seines jugendlichen Alters hatten die Kompositionen keinesfalls Container- oder Baustein-Charakter wie so oft in der Branche. Kellhubers Stücke sind prächtigen, gut durchdachten architektonischen Komplexen vergleichbar, mit langen, gut strukturierten Fluchten, die ungewöhnliche Perspektiven bieten oder sich unversehens zu lichtdurchfluteten Sälen oder schattigen Patios öffnen und zum Verweilen einladen.

Arne Huber am Kontrabass und Gabriel Hahn am Schlagzeug, die beiden Routiniers im jungen Trio, gaben Kellhuber den nötigen Rückhalt und die unaufdringliche Basis für seine Höhenflüge. Die beiden renommierten Musiker trugen aber durch ihre bewusste Zurückhaltung in erheblichem Maße zu einem überzeugenden, ja ausgereift wirkenden Triokonzept im homogenen Miteinander gleichberechtigter Partner bei. Das Publikum zeigte sich beeindruckt und begeistert und wurde mit mehreren Zugaben, darunter eine witzige Persiflage von Gabriel Hahn über den Pippi Langstrumpf-Song, belohnt.

gez. Dr. H. Schönecker