10.03.2023: Andy Herrmann Trio – Jazzclub Biberach e.V.

10.03.2023: Andy Herrmann Trio

Andy-Herrmann-Trio mit Überraschungsgast erfüllt Jazzkeller mit prallem Leben

Lebenserfahrene Routiniers geben eine Lehrstunde in Jazz-Historie

BIBERACH – Mit der ruhigen Selbstgewissheit und Souveränität langjähriger Meister ihres Fachs zelebrierten der gebürtige Biberacher Komponist und Jazzpianist Andy Herrmann und seine Triopartner, der Mannheimer Kontrabassprofessor Thomas Stabenow sowie der weitgereisten Stuttgarter Michael Kersting am Schlagzeug bei ihrem Gastspiel im Rahmen der Heimattage ihren „Blick zurück“ (CD „Looking Back“) in die Jazzgeschichte der letzten Jahrzehnte. Dabei nahmen sie die Besucher im erneut ausverkauften Jazzkeller mit einer spürbaren Brise an pädagogischem Eros helfend an der Hand. In den feinsinnigen Anmoderationen machte Andy Herrmann seinen persönlichen Weg zur Musik, zum Jazz und vor allem zum Jazzklavier in einer ausgreifenden Retrospektive anschaulich und sorgte auch gleich für die passenden Hörbeispiele.

Dass aus dem Konzert keine trockene Geschichtsstunde wurde, ist dem Fingerspitzengefühl des Luzerner und Münchner Klavierprofessors gleich in zweifacher Hinsicht zu verdanken. Wenige, wohlgesetzte Worte zeigten die Spur und die Leitplanken auf, viele, wohlgesetzte Töne, vielseitige und brillante Improvisationen, glitzernde Tonkaskaden, farbige Harmonien, aufmerksame Interaktion im Trio sowie eine stupende Technik ließen mit gehörigem Respekt vor der Tradition die Vergangenheit aus dem Geist der Jetztzeit lebendig werden. Abseits gängiger Klischees brachte er vielfach auch die wahren Künstler, die durchaus nicht immer die bekanntesten waren, auf die Bühne. Seine Frage ans Publikum, ob jemand Lyle Mays kenne, wurde mit betretenem Schweigen beantwortet, während der Namensgeber seiner Band, Pat Metheny, einen Aha-Effekt auslöste. Dass Methenys Keyboarder Lyle Mays für die meisten Kompositionen der Gruppe verantwortlich zeichnete, bleibt der breiten Öffentlichkeit meist verborgen.

Andy Herrmanns „Hommage“ an seine großen Vorbilder bestand bezeichnenderweise nicht aus der bloßen Nachahmung der Originale sondern stellte eine wertschätzende Würdigung und Wiederbelebung verbunden mit einer subtilen Weiterentwicklung der Vorlagen dar. So erwachten etwa Chet Bakers Ballade „I Fall In Love Too Easily” oder Charlie Parkers “Star Eyes” ebenso zu neuem Leben wie Bill Evans „How My Heart Sings“ oder Chick Coreas „Armando’s Rhumba“ und andere Songs, meist aus dem Great American Songbook oder Real Book. Dass er die Vergangenheit nicht als abgeschlossen betrachtet, zeigte besonders Andy Herrmanns einzige Eigenkomposition im vorgestellten Programm, „Looking Forward“. Entstanden in der auftrittslosen Pandemiezeit als Teil der gleichnamigen neuen CD und in Korrespondenz zur früheren CD „Looking Back“ öffnet sie den Blick nach vorn, weit in die gleichwohl in der Tradition wurzelnde Zukunft.

Als Überraschungsgast des Abends holte Herrmann schließlich den Biberacher Sänger, Gesangslehrer und Chorleiter Oliver Haux auf die Bühne. Die beiden kennen sich aus der gemeinsamen Schulzeit am Wieland- bzw. Pestalozzi-Gymnasium sowie dem folgenden Studium an der Musikhochschule Freiburg. Der vielfach gecoverte Song „My Foolish Heart“ von Victor Young, ausdrucksstark, mit sonorer, klassisch geschulter Stimme, lyrisch aber ohne falsche Sentimentalität zelebriert, löste rauschenden Beifall und begeisterte Zurufe aus. Zwei, durch anhaltenden Beifall geforderte Zugaben, darunter das hochemotionale „Georgia On My Mind“, erneut mit Haux am Mikrofon, ließen keine Wünsche offen. Hier flossen gelebte Heimatliebe und Tradition mit neuen Ideen bei unverstelltem Blick auf die Zukunft, ganz im Sinne des Heimattagemottos organisch zusammen.

Text und Fotos: Helmut Schönecker