10.02.2023: Vogelfrei-FM – Jazzclub Biberach e.V.

10.02.2023: Vogelfrei-FM

Frischer Wind aus heimischen Gefilden

Vogelfrei-FM auf der musikalischen Erfolgsspur

BIBERACH – Erneut in voller Auslastung geriet das dritte Konzert in der Heimattage-Reihe des Jazzclubs trotz technischer Startschwierigkeiten zu einem außergewöhnlichen Event. Ein neuer, bisher kaum wahrgenommener Stern am Komponistenhimmel scheint aufgegangen. Der Warthausener Schlagzeuglehrer Markus Merz, der peruanische Multi-Perkussionist und Wahlbiberacher Cesar Gamero und die Brüder Jochen und Alex Vogel aus Biberach haben sich, trotz räumlicher Nähe, erst vor Kurzem zu einer neuen ungewöhnlichen Formation unter dem Namen „Vogelfrei-FM“ zusammengefunden. Ohne stilistische Festlegung wildern sie – vogelwild – in den angesagten Musikstilen der jüngeren Vergangenheit und interpretieren diese neu, auf ganz individuelle und authentische Weise, jedoch durchaus überzeugend.

Leises, nach Aussage eines frühen Gastes durchaus beruhigendes Meeresrauschen empfing die Gäste im Jazzkeller und schien Teil der Inszenierung zu sein. Als beim ersten Songtitel „LGE.A.B“, einem funky und mit viel Power gespielten Stück im Stil der 70er- und 80er-Jahre dann die E-Gitarre verzerrte Klänge produzierte, schien auch das zunächst ein beabsichtigter Effekt, der allerdings nach den Schlusstakten einfach nicht enden wollte. Allgemeine Ratlosigkeit und zunehmend anschwellendes, weißes Rauschen bremsten die Begeisterung und streuten vorübergehend Sand ins konzertante Getriebe. Als auch die versammelte technische Kompetenz aller Anwesenden zu keiner Lösung führte, wurde kurzerhand – während einer kleinen Rauch- bzw. Rauschpause – umgestöpselt. Rauschfrei und mit neuer Souveränität nahm das Programm danach seinen Fortgang.

Wo der anspruchsvolle Jazzhörer vielleicht Bedenken ob der stilistischen Vielfalt und Authentizität der Musikstücke aus der Feder des Gitarrenlehrers Jochen Vogel hätte haben können oder gar eklektizistische Oberflächlichkeit befürchtet hatte, ließ der überzeugende Personalstil des Komponisten diese Bedenken schnell verschwinden. Als wahrer Meister seines Fachs ließ der versierte Gitarrenprofi die verschiedensten Spieltechniken und Patterns sowie deren stilistisches Umfeld in Stücke mit völlig eigenständigem Zuschnitt einfließen. Auf der klassischen Gitarre virtuos zelebrierter Flamenco, etwa in „Deception Of The Hearts“, überzeugte ebenso wie diverse Funk-, Fusion- oder gar HipHop-Nummern. Hier fanden auch die vielfältigen technischen Helferlein ihre klangliche Rechtfertigung. In diversen Latin-Titeln, in Samba, Salsa oder Bossa, konnten sich die mit umfangreichem Equipment ausgestatteten Schlagwerker Markus Merz und Cesar Gamero nach Herzenslust austoben. Einprägsame Riffs, oft auch im Unisono zwischen E-Bass und E-Gitarre, akzentuiert durch perkussive Grooves sowie gestaltkräftige, vielfach auch mit ungekünstelter Naturstimme gesungene Melodien hielten alles zusammen.

Aus den meisten Songtiteln ersichtlich und durch die erläuternden Ansagen von Jochen Vogel verdeutlicht, war ein weiteres verbindendes Element des Programms der spezifische Kompositionsstil und die Inspirationsquellen zu den scheinbar so divergenten Stücken. Pittoreske Namen wie „Bob’s Samba“, der „Rabbit Samba“ über das „ungebührliche“ Verhalten eines zur Familie gehörenden Kaninchens während der Musikproben oder die im Stil des NuJazz vorgestellte Nummer „Mei Vogelhaus“ im winterlich verschneiten Garten, ließen die Stücke anschaulich werden, erwiesen sich als gut nachvollziehbare „Programmmusik“ oder „darstellende Musik“. So ließen etwa auch das an Landsknechtstrommeln erinnernde Schlagzeugintro von „Ritter Falkenburg“ und die folgenden heroisch-martialischen Klänge den Sinngehalt des Stückes unmittelbar sinnfällig werden.

Nicht ohne zwei, durch langanhaltenden Applaus forcierte Zugaben, darunter das für elektronische Mallets arrangierte, im ersten Anlauf leider etwas „verrauschte“ Lieblingsstück von Markus Merz, „Remember your Roots“, ging ein abwechslungsreicher Konzertabend seinem späten Ende entgegen.

Text und Fotos: Helmut Schönecker