09.01.2015: Streit mit Fessele – Jazzclub Biberach e.V.

09.01.2015: Streit mit Fessele

Musikalischer Auftakt nach Maß

Salsa-Aphorismen für Fortgeschrittene

BIBERACH – „Streit mit Fessele“ erwiesen sich beim ersten Konzert des Jazzclubs im neuen Veranstaltungsjahr völlig unstrittig als musikalischer Topact und Publikumsmagnet gleichermaßen. Im ausverkauften Jazzkeller – Nachzügler mussten bereits mit Treppenstufen oder Stehplätzen Vorlieb nehmen – machte das sympathische Duo aus der Region dem rührigen Veranstalter als Träger des deutschen Spielstättenprogrammpreises alle Ehre. Das durchaus gewagte Konzept, Latin Jazz in Duobestzung rein akustisch darzubieten, hat sich dabei in hervorragender Weise bewährt.

Mit Joe Fessele am Kawaiflügel (mit angebauter Fußglocke) und Norbert Streit (an diversen Saxophonen sowie Querflöte, als unverstärkter Vokalsolist und gelegentlich auch mit sparsamem Perkussionseinsatz) haben sich zwei renommierte Musiker und Musiklehrer aus der Region, die sich bereits seit ihrem Studium kennen und unabhängig voneinander in verschiedenen größeren und kleineren Formationen aktiv sind, in Duobesetzung erfolgreich an ein durchaus anspruchsvolles Unterfangen gemacht. Gelegentliche Neckereien in Anspielung auf das Konzertmotto konnten dabei nicht überdecken, dass sich hier zwei Musiker auf derselben Wellenlänge befinden, sich blind vertrauen und einander freundschaftlich verbunden sind.

Erklangen im ersten Programmteil noch bewährte und gefällige Standards aus der Blues-, Swing-, Bop- und Funk-Abteilung im eher traditionellen Duo-Zuschnitt, wohl auch als Hommage ans heimische Publikum, stand der eher experimentelle zweite Teil ganz unter einem lateinamerikanischen Stern. Dabei lag der besondere Reiz des Experimentes darin, im Original meist recht üppig besetzte Kompositionen wie Chick Coreas „Spain“ oder komplexe Bossa- und Salsa-Rhythmen wie in dem vom legendären Buona Vista Social Club bekannten „El Cuarto de Tula“ in der Duo-Besetzung auf das Allernotwendigste zu reduzieren und zu verdichten. Und genau hier lauerte denn auch das Neue: Kunstvolle Aphorismen, die den tieferen Sinn der Kompositionen in fast schon chirurgischer Präzision heraus präparierten und transparent machten. Ein Unterfangen, das allerdings auch den Zuhöreren einen gewissen Anspruch abverlangte und über reine Unterhaltung weit hinausging.

Das besondere Charisma, vor allem vom gut „behuteten“ Norbert Streit, dessen Gebaren und Gesangsstil – von äußerlichen Ähnlichkeiten abgesehen, vielleicht nicht einmal zufällig – an den legendären „Jake Blues“ aus dem ersten Blues-Brothers-Film erinnerte, steuerte in seiner schnippisch-trockenen Coolness dem künstlerisch Besonderen ein Quantum von Beiläufigkeit und Selbstironie bei, das nicht nur den Unterhaltungswert erheblich steigerte sondern dem Auftritt schon so etwas wie Kultstatus verlieh. Streits dominierende Bühnenpräsenz konnte jedoch nicht verdecken, dass die gestalterische Hauptlast von dem hochmotivierten Joe Fessele am Piano zu schultern war. Ausgefeilte Grooves und komplexe rhythmische Begleitstrukturen, immer wieder ergänzt oder durchbrochen von kürzeren oder längeren melodischen Soli und Improvisationen schienen mühelos aus Fessele herauszusprudeln. Beiden Musikern war, ebenso wie dem begeisterten Publikum, der Spaß an der Sache anzumerken. Laute Begeisterungsrufe und nicht enden wollender Applaus sowie mehrere Zugaben, darunter eine wundervolle Interpretation von „Georgia on my mind“ zeugten von einem erfüllten Konzertabend.

gez. H. Schönecker