08.11.2013: Nicole Jo – Jazzclub Biberach e.V.

08.11.2013: Nicole Jo

„Nicole Jo“ trifft den Nerv des Publikums

BIBERACH – Im restlos gefüllten Jazzkeller ging beim Konzert von „Nicole Jo“ buchstäblich der Punk ab. Bereits vom ersten Titel an sprang der Funke über, die Begeisterung war mit Händen zu greifen, der Sound und das Bandkonzept stimmten, ebenso die Motivation der Musiker. Und ganz offenkundig trafen auch die Eigenkompositionen der Bandmitglieder beim Publikum auf offene Ohren. Der CD-Verkauf und die eingeforderten Autogramme beschäftigten die Musiker nach dem Konzert noch fast eine ganze Stunde lang.

Wie Nicole Johänntgen später dem Publikum gestand, war bereits die stimmungsvolle Anreise aus Zürich mit der Fähre über den Bodensee für sie ein gutes Omen. Das Ambiente und das begeistert mitgehende Publikum im Jazzkeller taten ein Übriges, und so bedankten sich die Musiker am Ende nicht nur mit mehreren Zugaben sondern auch durch überschwängliches Lob bei Publikum und Veranstaltern.

Die Arbeiten mit Loops und Patterns aus der elektronischen Workstation verbinden sich in der Elektro-Jazzszene meist mit gediegenen Sounds und sphärischen Klängen in einfachen Strukturen und mit noch einfacheren Motiven, oft im Stil der Minimal Music oder gar mit eingängigen Elementen aus der Popmusik. Eine echte Synthese der neuen Klanglichkeit mit originären Jazzelementen ist ziemlich selten. Genau in dieser Nische bewegen sich aber die ebenso temperamentvolle wie sympathische Bandleaderin an Sopran- und Altsaxophon und ihre musikalischen Mitstreiter. Die gepflegte ästhetische Klangkultur und das Experimentieren mit neuen Sounds und Spieltechniken verbinden sich bei „Nicole Jo“ mit hochvirtuosen und komplexen Improvisationen. Druckvolle Bässe und zupackende Grooves aus der Funk- und Fusion-Tradition treffen auf rasante Neobop-Unisono-Linien (Stefan Johänntgen), ausdrucksvoll „sprechende“ und sinnlich leuchtende Saxophonklänge wechseln mit wilden Schlagzeug- (Elmar Federkeil) oder Bass-Soli (Philipp Rehm).

So kamen etwa in dem flirrenden „Smells like spring“ eher Assoziationen zu Strawinskys „Frühlingsopfer“ und dem dort nach langem, harten Winter mit Brachialgewalt einbrechenden russischen Frühling auf, als zu dem eher lauen Beginn dieser Zwischenjahreszeit in unseren Breiten. In „Time“ wirbelte die kraftvolle Musik ihre willigen Zuhörer mit der Anziehungskraft eines „schwarzen Loches“ in das stilistische Füllhorn eines allumfassenden Jazz-Universums, aus dem es kein Entkommen mehr gab.

Begeistertes Johlen, anfeuernde Rufe und Pfiffe und der Wunsch vieler Konzertbesucher, diese Musik auch in gepresster Form mitzunehmen, waren die äußeren Zeichen für ein kollektives Erfolgserlebnis der Extraklasse. Schade nur, dass die neue CD erst in knapp einem Jahr auf den Markt kommt.

 

Dr. Helmut Schönecker