07.11.2025: Lothar Kraft Quartett feat. Sandy Patton – Jazzclub Biberach e.V.

07.11.2025: Lothar Kraft Quartett feat. Sandy Patton

Resolute Jazzlady und „Grande Dame“ des Vocal Jazz mischt Lothar-Kraft-Quartett auf

Sandy Patton begeistert ihr Publikum und dominiert ihre Sidemen

BIBERACH – Als Betreiber eines privaten Konzertstudios in Kißlegg nutzt der versierte Jazzpianist Lothar Kraft seine Beziehungen in die Szene, um immer mal wieder internationale Stars in die Region zu lotsen. Dieses Jahr gelang es ihm, die 77jährige „Grande Dame“ des Jazzgesangs aus Michigan, die fast 20 Jahre bis 2013 als Gesangsprofessorin an der renommierten Hochschule der Künste in Bern tätig war, zu den Schwaben zu locken. Und sie zeigte denn zu ihrem Tourneeauftakt im ausverkauften Jazzkeller dem eigens für sie zusammengestellten und durchaus hochkarätigen Quartett „wo der Barthel den Most holt“.

Anfangs schienen besonders die beiden „Sandys“, die Jazz Lady Sandy Patton und der renommierte Alexander „Sandi“ Kuhn am Saxofon, eher auf Kriegsfuß zu stehen. Tickte dieser, wie auch gelegentlich ihre anderen Männer, doch nicht sofort im exakten Gleichklang mit ihren künstlerischen Ambitionen. Was aber auch kein Wunder war. Spielte doch die Formation auf der Bühne erstmals in dieser Besetzung zusammen – und das ohne vorherige Probe, abgesehen von einigen fernmündlichen Absprachen und beim nachmittäglichen Soundcheck.

Genau diese Spontanität funktioniert jedoch im Jazz wie kaum in einem anderen Genre besonders gut und ist gewissermaßen eine Kernkompetenz aller Jazzmusikerinnen und -musiker seit den Anfängen des Genres vor über 100 Jahren. Die Themen der gewählten Vorlagen, meist bekannte Standards aus dem American Songbook, sind, wie auch die Form- und Harmonieschemata, unter Jazzern allseits bekannt. Routinierten Jazzhörern in der Regel ebenso. Der eigentliche Reiz liegt aber genau darin, diese Vorlagen möglichst kreativ zu umschiffen, zu variieren, zu verfremden. Die Königsdisziplin ist es, die vorgegebene Struktur nicht nur aus dem Stehgreif neu zu gestalten, sondern kreativ mit neuem Inhalt zu füllen und zu neuen, durchaus zeitgemäßen Aussagen zu füllen. Und hier war es geradezu ein Genuss, den schöpferischen Prozess auf der Bühne in wechselseitiger Interaktion „live“ und gewissermaßen hautnah mitzuverfolgen.

Ist es für die eher in der Begleitung tätigen Mitspieler, der „mit allen Wassern gewaschene“ Stuttgarter Tausendsassa und Jazzprofessor Mini Schulz am Kontrabass und der alte Routinier Lothar Kraft am Kawaiflügel noch ein relativ einfaches Unterfangen, musste sich der ebenfalls an der Stuttgarter Musikhochschule unterrichtende und vielfach preisgekrönte Saxofonist und Komponist Sandi Kuhn in der Melodiefraktion mit Sandy Patton einigen, die gemeinsame Wellenlänge finden. Und wer hier das künstlerische Sagen und vor allem das letzte Wort hatte, blieb dem aufmerksamen Zuhörer nicht verborgen. Nachdem die resolute Lady ihre Männer weich genug geklopft hatte, funktionierte dieses Neben- und Miteinander immer besser und es gelangen witzige Dialogimprovisationen ebenso wie dezente Nebenmelodien, die über Schematismus weit hinausgingen. Wo sich Sandy Patton, neben der Vorstellung der Themen, etwa mit Scat-Improvisationen ins melodische Geschehen einmischte, wusste Sandi Kuhn die Diva mit dezenten Nebenmelodien zu umschmeicheln. Dem gefragten, in Konstanz lebenden Jazz-Schlagzeuger Patrick Manzecchi schien die Lady von Anfang an verbunden und so war nach kleineren Anfangsschwierigkeiten zum Tourneeauftakt schließlich alles eitel Freude, deutlich auch am Mienenspiel aller Beteiligten und üppigen Beifallsstürmen abzulesen.

Das Publikum war von so bekannten Standards wie „Anthropology“ von Charlie Parker in der traditionellen 32taktigen ABBA-Form oder George Gershwins im selben Muster gestrickten Song „Lady, be Good“ hell begeistert und verlangte nachdrücklich nach Zugaben die mit dem von Michael Bublé bekannt gemachten Mambo „Sway“ und, nach besonders langanhaltendem Beifall, einer kurzen Atempause und ohne die mittlerweile zu eng gewordenen Schuhe, mit dem vielfach gecoverten R’n’B-Megahit „Route 66“ von Bobby Troup auch gewährt wurde.

Text und Fotos: Helmut Schönecker