06.03.2020: Torsten Zwingenberger Berlin 21 – Jazzclub Biberach e.V.

06.03.2020: Torsten Zwingenberger Berlin 21

BERLIN 21 trifft auf begeistertes Biberacher Publikum

BIBERACH – Die Triobesetzung von Torsten Zwingenbergers Dreamteam BERLIN 21, angetreten mit vollem Einsatz und voller Energie traf beim Freitagskonzert des Jazzclubs auf ein erwartungsvolles und schnell auch voll begeistertes Publikum im vollbesetzten Jazzkeller. Zwingenberger zeigte sich beeindruckt von der stattlichen Publikumskulisse und bedankte sich in seinen einführenden Worten beim „todesmutigen“ Biberacher Publikum für das, in Coronazeiten nicht unbedingt selbstverständliche, überaus zahlreiche Erscheinen. Der veranstaltende Jazzclub hatte am Eingang auf Empfehlung der LIVEKOMM einen Aushang mit Verhaltens- und Warnhinweisen des Robert-Koch-Institutes angebracht, die auch brav befolgt wurden.

Nach einem gefälligen Opener im Easy-Listening-Stil des Pop- oder Smooth-Jazz ging das Trio in gelöster Stimmung mit Vehemenz zur Sache. Mit Ausnahme der Zugabe gab es im gesamten Programm nur Eigenkompositionen der drei Musiker zu hören. Gleichwohl war die stilistische Vielfalt enorm. Programmatische Aspekte darstellender Musik, wie eine anfahrende Dampflokomotive (Bright Ride) oder die faszinierende Klangwelt der afrikanischen Savanne – in einer fast 20minütigen „symphonischen Dichtung“ eingefangen (Nice Day) – standen neben vertrackten Rhythmen in ungewohnten Taktarten oder plastischen Melodien mit intensiver Ausdruckskraft. Solistische Exerzitien in stupender Technik und höchster Virtuosität standen neben dichten, strukturell vielschichtigen Abschnitten voller Leidenschaft und emotionaler Eindringlichkeit. Den Spagat stilistischer Brückenschläge zwischen Nordmazedonien und Südostafrika (Zimbaterranean) oder Ausflüge in die Karibik (Povo Nuovo), in den Klezmer oder nach Hinteranatolien bewältigte das bestens eingespielte Trio mühelos und ohne hörbare Nahtstellen. Die Spielfreude aller Musiker war mit Händen zu greifen.

Ein „Wedding Waltz“ aus der Feder des Kontrabassisten Martin Lillich, einst zu Ehren seiner eigenen Gattin geschrieben, ließ erahnen, weshalb die häusliche Beziehung seit langen Jahren intakt geblieben ist. Die Ausdruckstiefe seines Bassspiels war dabei sicherlich auch seinem ungewöhnlichen Instrument geschuldet. Ein „Bassello“, größen- und klangmäßig zwischen Kontrabass und Cello angesiedelt und ähnlich wie das Cello in Quinten, allerdings über dem Grundton F gestimmt, ermöglichte ihm ein hochexpressives melodisches Spiel mit plastischer Phrasierung und lebendigem Vibrato. Obwohl jazztypisch die Saiten meist im Pizzicato gezupft wurden, gelang Lillich eine hochdifferenzierte Artikulation bei hoher Transparenz, sogar in den gelegentlichen akkordisch-mehrstimmigen Passagen.

Der weitgereiste Diplomatensohn und Weltbürger Lionel Haas bearbeitete den wohltemperierten Kawaiflügel in einem, vor allem in den wenigen balladenhaften Stücken in blues- und soulmäßig angehauchten Stil, kam aber auch mit den karibischen Pianolicks glänzend zurecht, brillierte in rasanten Improvisationen im Straight-Ahead-Stil oder Modern Swing. Zupackendes, mitunter gar rockmäßig groovendes und filigranes, gelegentlich gar lyrisches Spiel schlossen sich dabei nicht aus. Seine solistische Einleitung zur stimmungsvollen Zugabe „Peace“ von Horace Silver gehörte zu den Höhepunkten des Abends.

Über das virtuose und hochkomplexe Schlagzeugspiel Zwingenbergers, auf einem äußerst umfangreichen Equipment unter Einbeziehung zahlreicher Perkussionsinstrumente sowie spezieller Pedal- und Schlagtechniken könnte eine eigene Abhandlung geschrieben werden. Der Berliner Ausnahmedrummer entwickelte eine klangliche und strukturelle Vielschichtigkeit, die ganz ohne elektronische Hilfsmittel ein mehrköpfiges Schlagzeugensemble ersetzen konnte. Seinem Einfallsreichtum in den ausladenden Soloeinlagen waren dabei keine Grenzen gesetzt. Seine künstlerische Ausstrahlung fasziniert und fesselt und hinterlässt gerade auch in der organischen Einbindung ins Bandkonzept von „Berlin 21“ einen bleibenden Eindruck.

Text und Fotos: Helmut Schönecker