04.05.2012: Weber + Kirberg – Jazzclub Biberach e.V.

04.05.2012: Weber + Kirberg

Niveauvolles Weber-Kirberg Duo im Jazzkeller

Mit Hölderlin von Tuttlingen über Wien zu Monk und Ellington

Katrin Weber ist schon ein besonderes Chamäleon. Was sie anfasst, nimmt unweigerlich ihr ganz spezielles Kolorit an. Worin dieses aber genau besteht, lässt sich gar nicht so leicht ermessen. Und auch die Begeisterung im Publikum wurde da und dort durch verwundertes Amüsement oder nachdenkliches Zurücklehnen aufgelockert. Die bekanntesten Standards der Jazzgeschichte von George Gershwin, Duke Ellington oder Thelonius Monk werden unter Webers Zugriff und durch ihre freche Übersetzung oder auch Neutextung im schwäbisch-wienerischen Sprachidiom zu kabarettistischen Kabinettstückchen, die auch im neuen Gewand jazzig grooven und zum beschwingten Mitwippen animieren.

Aber auch das genaue Gegenteil davon hat sie zu bieten. Feinsinnige Poesie, wie etwa Friedrich Hölderlins „Hälfte des Lebens“, zu Ehren ihres 80jährigen Vaters subtil in eine modern wirkende modale Eigenkomposition übertragen, war etwas ganz Besonderes und hochgradig Eigenständiges. Nicht ganz frei von Brüchen, voller Inversionen und Chiffren, wie die lyrische Vorlage eben auch, hat Katrin Weber und ihr kongenialer Partner Thiemo Kirberg an der akustischen Gitarre den lyrischen Ton genau getroffen und die helle Ungeduld der Jugend mit ihren von Küssen trunkenen Schwänen ebenso eingefangen, wie die düstere Furcht vor dem klirrend kalten Winter eines sonnenlosen Alters.

Der Düsseldorfer Gitarrist Kirberg, wie die aus Tuttlingen stammende Katrin Weber in Wien lebend, verkörperte in seinem fulminanten Spiel ein komplette Begleitband mitsamt Solisten und bewies einmal mehr, dass Weniger oft Mehr ist. Aus rhythmisch präzisen Begleitpatterns mit häufig lateinamerikanischem Einschlag wechselte er nahtlos in atemberaubende Improvisationen und verschaffte so seiner singenden Partnerin ein verlässlich groovendes Fundament oder in seinen hochvirtuosen Solopassagen auch die nötige Luft zum Atmen.

In routinierter Interaktion entstand so ein vielschichtiges Konglomerat heterogener Teile in einem eigenwilligen, transparenten Personalstil, eben in dem typischen Weber-Jazz, der Extreme versöhnt und mit „gelben Birnen“ und „wilden Rosen“ das reife Land in den See hängen lässt.

gez. Dr. H. Schönecker