Biberacher Jazzherbst beginnt erfolgversprechend
Harry Allen Quartet verbreitet gute Laune
BIBERACH – Während es draußen noch regnete und stürmte, ließ ein hochkarätiges und gut aufgelegtes Musikerteam um den amerikanischen Saxophonisten Harry Allen im gut besuchten Jazzkeller bereits den goldenen Herbst anbrechen. Nach vielen Jahren Unterbrechung gab es erstmals wieder den vom Jazzclub organisierten „Biberacher Jazzherbst“, ein Wochenende mit internationalen und nationalen Jazzgrößen, zu dem in der Vergangenheit auch mal eine Koryphäe wie Albert Mangelsdorff sich die Ehre gab. Der Auftakt zur Neuauflage mit dem originär swingenden „Frank Sinatra des Tenorsaxophons“ war ein voller Erfolg, das Publikum hell begeistert.
Mit unbewegter Miene und einer aufs Minimum reduzierten Körpersprache strahlte Harry Allen all seine Emotionen und Affekte ausschließlich über sein hochexpressives Saxophonspiel ab. Seine versierten Mitmusiker, eigens für eine zweiwöchige Europatournee von Lothar Kraft zusammengestellt, hatte er dabei mit kleinsten Gesten und Blicken fest im Griff. Und dabei spielte er nicht nur meisterlich auf seinem Tenorsaxophon, er spielte auch – im doppelten Sinne – mit seinen Musikern. Stellte er diese doch immer wieder vor überraschende Herausforderungen, indem er ganz spontan die Soli verteilte, den Ablauf änderte und sie oft augenzwinkernd in kleinräumige Dialogimprovisationen verwickelte. Dieser vorwiegend rhetorisch geprägte Improvisationsstil ließ die abwechslungsreiche musikalische Interaktion auch besonders sinnfällig, ja amüsant für das Publikum werden, das seinerseits aufmerksam und fachkundig die kreativen Leistungen der Musiker mit Zwischenapplaus und anfeuernden Rufen kommentierte.
In tiefe Kontemplation versunken und völlig fokussiert auf die der swingenden Musik entspringenden Energieströme vermochte es das Quartett vom ersten Titel an, seine Zuhörer zu fesseln, die Füße zum Mitwippen zu bewegen, Freude, Kraft und Zuversicht zu vermitteln. Der einfühlsam groovende Drummer Patrick Manzecchi rührte auch meisterhaft mit den Besen, Jens Loh, einer der besten Kontrabassisten Deutschlands, steuerte neben hoch virtuosen Improvisationen auch einen phänomenalen, stiltypisch swingenden Walkingbass bei, Tourmanager und Klavierlehrer Lothar Kraft aus Kißlegg groovte was das Zeug hielt und wurde, wie seine Mitstreiter in der Backline immer wieder aus der Reserve gelockt, so dass bald der Schweiß floss.
Swingende Jazzstandards wie „Softly, as in a Morning Sunrise”, “Old Folks” aus den 1920er- und 1930er-Jahren, das jahreszeitlich passende „Autumn Nocturne“ oder „I’m checking out, Goombye“ in der Tradition von Duke Ellington aus den 1940er- und 1950er-Jahren gehörten ebenso zum Programm, wie die Bossa-Nummer „Chega de Saudade“ oder das berühmte „Girl from Ipanema“ von Antonio Carlos Jobim. Bis in die Jazz- und Softrockära der 1980er-Jahre reichte das Repertoire, etwa mit Cyndi Laupers „Time After Time“. Die künstlerische Klammer, welche diese scheinbar so divergenten Stücke zusammenhielt, war nicht nur der swingende Grundtenor und eine lebendige Neuinterpretation, sondern vor allem die kompromisslosen neuen Arrangements aller Titel, weit entfernt von bloßen Coverversionen. In bester Jazztradition bildeten die Songs lediglich Improvisationsvorlagen. That’s Jazz!
Eine Fußnote wert ist auch das Debut von Jens Loh Junior, der für einen Song ans Drumset durfte, diesen Job durchaus respektabel meisterte und dafür auch verdienten, lang anhaltenden Sonderapplaus erhielt. Auch Harry Allen wusste seinen Einsatz zu würdigen. Sein Kommentar, augenzwinkernd an den Drummer Manzecchi gerichtet: „You are fired!“
Text und Fotos: Helmut Schönecker