Überfüllter Jazzkeller im Blues-Fieber
Souveräne Bühnenpräsenz und ein kurzer Draht zum Publikum waren, neben einer urtypisch erdigen Bluesstimme, angesagtem Gitarrensound, sattem Bass und einer herausragenden Bluesharp-Spielerin, die Zutaten zu einem außergewöhnlichen Bluesabend vor ausverkauftem Haus und hell begeisterten Fans des polnisch-fränkisch-oberbayrischen Trios „United Blues Experience“ im Biberacher Jazzkeller.
Der Blues ist „in“. Immer noch oder schon wieder. Nicht nur als stimmungsvolle, hoch willkommene Alternative zur allerorten tobenden oberschwäbischen Fasnet. Bluesfans bezeichnen den Blues gerne als Rückgrat der Jazz-, Rock- und Popmusik. Sie haben offenkundig recht damit. Augen- oder besser ohrenfällig demonstrierten dies die drei „Blueser“ um Sänger und Gitarrist Wolfgang Bernreuther, dem musikalischen Kopf der hochinfektiösen Truppe. Nicht nur in den gelegentlichen Ausflügen in verwandte Metiers, etwa zu Fleetwood & Mac oder Jimi Hendrix, auch nicht im bewussten Anknüpfen an den Wurzeln des New Orleans- oder Chicago-Blues eines Champion Jack Dupree oder Willie Dixon, die enorme stilistische Bandbreite des Blues spiegelte sich vor allem in den abwechslungsreichen Eigenkompositionen von Bernreuther und Kossowska selbst. Überhaupt Beata Kossowska. In der „wunderbaren Welt der Mundharmonika“ völlig zu Recht als „First Lady der Bluesharp“ bezeichnet, wirkte sie als kongeniale Partnerin von Bernreuther und versetzte das Publikum in atemlose Spannung.
Als multilinguale Sängerin lieferte sie eine sympathische klangliche und sprachliche Abwechslung zu Bernreuther. Als polnische Bluesharp-Virtuosin von Weltrang fetzte sie aber in ihren Improvisationen mit unbändigem Temperament und tiefer Leidenschaft alles andere in den Hintergrund. Sichtlich in ihrem Element, motiviert und inspiriert durch ein begeistert mitgehendes, johlendes und pfeifendes Publikum, zeigte die auf internationalen Festivals und als Herausgeberin einer Mundharmonika-Schule geadelte Bluesmusikerin auf ihrer Hohner „Pro Harp MS“ und einer ganzen Kiste weiterer Hohner-Mundharmonikas für alle Lagen und Tonarten, was auf diesem unscheinbaren, liebevoll Bluesharp genannten Instrumentchen musikalisch alles möglich ist. Von langgezogenen melancholischen Kantilenen zu rasanten Skalen oder akkordischen Tonrepetitionen schien das spieltechnische Repertoire der Kossowska so unerschöpflich wie ihr Atem, der den Tönen die Seele und dem Blues das ewige Leben einhauchte. Über dem sonor groovenden Kontrabass von Rudi Bayer, der auch perkussive Elemente zum Geschehen beisteuerte, bildete dieser Blues mit zeitgemäßen Texten über das Leben und die Liebe das reinste Lebenselixier, pure Lebenskraft gegen seichten Pop oder akademisch konstruierte Kunstmusik. Möge er noch lange leben.
gez. Dr. H. Schönecker