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23.12.2006: Rootbears
08.12.2006: Peter Lehel Quartett
Hochkarätiger Modern Jazz im Biberacher Jazzkeller
Peter Lehel Quartett zeigte sich in bester Spiellaune
Atmosphärisch dicht, energiegeladen, höchst kreativ und außerordentlich spannend wurde die engagierte Musik des Peter Lehel Quartetts zu einem der musikalisch herausragenden Ereignisse des fast schon vergangenen Jazzjahres. Einmal mehr erwies sich, dass künstlerischer Anspruch und Publikumszuspruch wohl doch umgekehrt proportional zueinander stehen. Unter dem Sigel „Modern Jazz“ steckt zwar keine voraussetzungslose Unterhaltungs- oder Stimmungsmusik, aber auch die Zeiten, in denen egozentrische Jazzheroen mit dem Rücken zum Publikum die Reise in ihr abgründiges Selbst antraten sind längst Geschichte.
Die drei Schwaben um den Karlsruher Saxophonisten Peter Lehel gehören mit zum Besten was das Ländle musikalisch aufzubieten hat. Der brillante Stuttgarter Pianist Uli Möck und der frischgebackene Stuttgarter Kontrabassprofessor Mini Schulz, unterstützt durch den Tübinger Schlagzeuger Dieter Schumacher erwiesen sich als kongeniale Mitmusiker eines, trotz schütterer Publikumskulisse eher inspiriert als routiniert wirkenden Peter Lehel an Tenor- und Sopransaxophon. Seiner Feder entsprangen nicht nur die abwechslungsreichen Kompositionen des Abends, seine spannungsgeladenen Soli und Improvisationen ließen auch sonst nichts anbrennen. In schnörkelloser Direktheit entlockte er seinen Instrumenten genau so viele Töne wie erforderlich, keinen einzigen mehr. Das geriet mitunter zu einem Feuerwerk ausgefallener Einfälle, wie etwa in der Hommage an Béla Bartók, dann aber auch zu stimmungsvollen aphoristischen Miniaturen á la „Kind of Blue“ zu Ehren von Miles Davis oder zu klangmächtigen balkanischen Fresken im Gedenken an Zoltan Kodaly. Lehels kraftvollen Gefühlseruptionen stellte Uli Möck am Steinway-Flügel eher narrativ-elegante Elemente gegenüber, im perfekten Kontrapunkt zwischen Engagement und Distanz. Das vor allem erzeugte, über die rhythmische Hochspannung hinaus, eine Energiedichte, die in ihrer kammermusikalischen Konzentration auch die hellauf begeisterten Zuhörer zu Höchstleistungen im Erhören komplexer musikalischer Gehalte anspornte, die Lösung des finalen musikalischen Rätsels erbrachte für die Gewinnerin gar eine CD freier Wahl aus dem Bandangebot.
Lehels Musik besitzt trotz ihres eher intellektuellen Zuschnitts ein Übermaß an Witz, Kraft und Unmittelbarkeit, erlaubt so eine anhaltende Identifikation ohne Reue auf hohem Niveau. Selbstverständliche Virtuosität, kreative Vielfalt und ehrliche Affekte ohne schalen Beigeschmack oder vorweihnachtlichem Zuckerguss verleihen dem europäischen Modern Jazz des Peter Lehel Quartetts eine stilistische Eigenständigkeit, die sich jeder Konkurrenz stellen kann. Zwei Zugaben, darunter auch in festlicher Vorfreude eine Paraphrase über „Auld lang syne“, rundeten einen inspirierten Konzertabend ab.
Gez. Dr. Helmut Schönecker
24.11.2006: Fabro
Fabro-Fanclub übernimmt Biberacher Jazzkeller
Wogen der Flamenco-Begeisterung schlagen hoch
„Eine echte Alternative zu Tokio Hotel“ konstatierte Fabro, als am Ende des zweiten Sets seines Klasse-Konzertes auch seine jüngsten Gäste im Kindergarten- und Grundschulalter noch putzmunter die zweite Zugabe mit herbei applaudierten.
Die Begeisterung war beiderseitig, als die eilends herbei geschleppten zusätzlichen Sitzgelegenheiten und auch die Treppenabsätze ausgegangen und nur noch Stehplätze zu ergattern waren. Spätestens nach den ersten Tönen des Kult-Trios war denn auch klar: hier sind die Fabro-Fans der ganzen Region zusammengeströmt um den bereits zu den Stammformationen des Biberacher Jazzclubs zählenden Säckinger Ausnahmegitarristen Oliver Fabro und seine beiden musikalischen Mitstreiter, die aus Sigmaringen stammenden Zwillingsbrüder Wolfgang und Harry Eisele, zu erleben. Und alle sind sie auf ihre Kosten gekommen.
Die Musiker liefen vor der motivierenden Kulisse zur Hochform auf und selbst die vertracktesten Arrangements, allesamt aus der Feder des Bandleaders, gelangen mühelos. Rasende Unisonolinien, komplementär verzahnte komplexe Rhythmen – nicht nur in den flamencotypisch geklatschten „palmas“ – und vor allem die fliegenden Wechsel zwischen den zahlreichen, virtuos beherrschten Instrumenten vermittelten eine selten erlebte Spielfreude, sorgten für glänzende Unterhaltung und nur mühsam gezügelten Bewegungsdrang auf Seiten des Publikums.
Von indischen Wasserkrügen (madgas) bis zu peruanischen Obstkisten (cajons), Tamburin, Minibongos, Schüttelrohr, selbst gebastelter Fußtrommel und anderen Klein-Perkussionsinstrumenten über Querflöte, Alt- und Sopransaxophon, 2 Gitarren, Mandoline bis zum Steinwayflügel kamen eine Vielzahl von Instrumenten zum Einsatz. Besonders beeindruckend dabei war die Selbstverständlichkeit mit der die eigenständigen Sounds und Spielweisen sich organisch ins Ganze fügten. Da kam nichts gehetzt oder aufgesetzt daher. So selbstverständlich wie sich Klavier- und Gitarrensound, Badener und Schwaben, Madgas und Cajons vertrugen, so überzeugend mischten sich die unterschiedlichsten Stilelemente zu einem eigenständigen Fabrostil, von dem nicht nur die erklärten Fans gar nicht genug bekommen konnten.
Gez. Dr. Schönecker
11.11.2006: Männer und Tenöre
M.u.T. im Biberacher Jazzkeller
Boccherini total vokal auf der Luftvioline
Nach eher besinnlichen Anfängen mit durchaus ernsthaften musikalischen Bemerkungen in Sachen Liebe und diversen Glanzlichtern aus der Ära der „Comedian Harmonists“, etwa den immer frischen Evergreen von der schönen „Isabella aus Kastilien“, geriet gleich der erste Titel der zweiten Halbzeit zu einer regelrechten „Luftnummer“. Boccherinis bekanntes Menuett erklang durch „M.u.T.“ – „Männer und Tenöre“ quasi instrumental. Die Instrumente waren jedoch nur „virtuell“ vorhanden, eben als „Luftvioline“ oder „Luftquerflöte“. „Gespielt“ wurden diese aber nicht etwa nur im Playback, wie die viel zitierte Luftgitarre. Sie erklangen real vokal, mit treffend persiflierter Mimik und Gestik, konterkariert durch ein todernstes Mienenspiel und Nonsens-Vokalisen á la „Diddl-daddl“ und „Dum-di-dum“. Die „Luftnummer“ wurde so unversehens zu einer regelrechten „Lachnummer“ und zum Omen für den zweiten Teil, der sich ganz der Komik und dem Klamauk verschrieben hatte.
Mit stimmiger Choreographie und sparsam aber charakteristisch eingesetzten Requisiten und Accessoires wussten die „richtigen Männer“ (= Baritone und Bässe) Ralph Kolars, Markus Stürzenhofecker, Klaus Hinrichs und die beiden Tenöre Thomas Mentzel und Peter Schmidt ebenso zu begeistern, wie mit raffinierten, gut einstudierten Arrangements. Ob in bayrisch-älplerischer Staffage oder mit Matrosenkäppi und Kapitänsmütze, ob vollständig a cappella, mit echtem Kontrabass, kleiner Trommel, Tamburin und Gitarre oder mit der klassischen Klavierbegleitung (Alexander Matt), die Hauptsache bildete immer ein nahezu perfekter sonorer Satzgesang. Vom satten Bass bis zum schlanken Falsett-Tenor mischten sich höchst individuelle Stimmen zu einem homogenen Ganzen, aus dem sie aber zur Darstellung besonderer Affekte immer wieder effektvoll hervortreten durften. Auf diese Weise entstanden ebenso dichte wie abwechslungsreich interpretierte musikalische Preziosen von großer Kunstfertigkeit. Das Publikum zeigte sich begeistert und erklatschte gleich drei Zugaben, darunter der schon den ganzen Abend als Requisite auf der Bühne präsente „kleine grüne Kaktus“ und eine als weinerlicher Abschiedsgesang beginnende, mitreißende, fingerschnippende „Barbara Ann“.
gez. Dr. Helmut Schönecker
13.10.2006: Andrea Mayer Quartett
Andrea Mayer Quartett im Biberacher Jazzkeller
Ella Fitzgerald in prickelnder Lebendigkeit statt kalter Plastination
Wer ist Andrea Mayer? Das nette Mädchen von nebenan? Eine Allerweltssängerin, passend zu einem Allerweltsnamen? Schon die ersten Töne ihrer warmen, volltönenden Stimme ließen keinen Zweifel daran aufkommen, hier stand die Reinkarnation von Ella Fitzgerald auf der Bühne! In sonorer, klarer Altlage aber auch bis in die höchsten Höhen ihres unglaublichen Stimmumfanges mit charakteristischem natürlichen Timbre, in ihrem unbestechlichen Timing und dem vorzüglichen Scat-Gesang der wohl größten Jazzsängerin aller Zeiten kaum nachstehend, stellte die sympathische Ausnahmesängerin einem begeisterten Biberacher Publikum ihre Anfang des Jahres auf CD gebrannte Hommage an die Queen of Jazz vor. Und wie ihr großes Vorbild mit den renommiertesten Formationen ihrer Zeit, dem Oscar Peterson Trio oder der Count Basie Band tourte, so kam auch die in Freiburg lebende Jazzdiva mit einem illustren Trio nach Biberach.
Einer der besten jungen Jazzpianisten Europas, der gebürtige Ravensburger Rainer Böhm, sowie die beiden arrivierten und viel gefragten Begleitmusiker German Klaiber am Kontrabass und der in Biberach wohlbekannte Matthias Daneck am Schlagzeug unterstützten die unlängst auch vom Südwestfernsehen portraitierte Sängerin. Neben Ella Fitzgerald vor allem den längst zu beliebten Standards geadelten Kompositionen Duke Ellingtons verpflichtet, mit starkem Hang zum Blues und zur Ballade, zeigte sich das Quartett hoch motiviert und in bester Spiellaune.
Der Gefahr im Gedenken an die ganz Großen bloßen Retro-Jazz abzuliefern, entging die Truppe durch ironische Brechungen und durch manchen musikalischen Witz der Hintermannschaft. Neckische Spielereien untereinander, vor allem zwischen Daneck und Böhm lockerten die Stücke nicht nur auf sondern verliehen ihnen Geist und Seele. Auch wenn in diesem teils recht übermütigen Spiel das eine oder andere musikalische Angebot zur Zusammenarbeit unter die Räder kam, so etwa in Andrea Mayers vergeblichem Versuch zu einem musikalischen Dialog zwischen ihren Scat-Motiven und Böhms wilden Klavierarabesken in Billy Strayhorns „Take the A-Train“ zu kommen, ergab sich unter dem Strich eine prickelnde Lebendigkeit und eine durchaus konstruktive Auseinandersetzung mit dem musikalischen Material auf höchstem künstlerischen Niveau. Der Eindruck, dass hier dem Altbewährten Respekt gezollt, gleichzeitig aber auch keine falsche Ehrfurcht oder gar der Wille zur Konservierung zu erkennen war, hob die Musik des Quartetts in wohltuender Weise von vielen traditionell geprägten Nostalgikern ab. Hier gab es keine Plastination á la Gunther von Hagen zu erleben, der mit den Mitteln modernster Technik den fast lebensechten Organismus für die Ewigkeit präparierte; es gab keine auf Hochglanz gebrachte, zombiemäßig untote Remakes in inhalts- und ausdrucksleerer ästhetischer Klarsichthülle zu hören. Hier wurde aus dem Geist des Alten etwas Neues erschaffen, etwas originär Eigenständiges aus dem immer wieder die perlenden Klavierkaskaden Böhms, die sich in Permanenz wandelnden, stimulierenden Drum-Grooves von Daneck oder die in sinnlicher Klanglichkeit schwelgenden Bassimprovisation Klaibers hervorleuchteten um mit dem tief empfundenen Bluesgesang Andrea Mayers zu korrelieren. Zwei gerne gewährte Zugaben beendeten einen langen, kurzweiligen Jazzabend.
22.09.2006: OBBD Oldtime Blues & Boogie Duo
OBBD im Jazzkeller
Blues und Boogie gehen unter die Haut
Alte Bekannte und bewährte Erfolgsmodelle im Jazz sind offenbar nicht automatisch auch sichere Garanten für ein volles Haus im Jazzclub Biberach. Mitreißender, emotionsgeladener Blues und Boogie Woogie vom „Original Blues & Boogie Duo“ mit Ignaz Netzer an der Blues Harp, Stimme und Gitarre sowie Thomas Scheytt am Piano, ließ die etwas schüttere Publikumskulisse jedoch schnell in Vergessenheit geraten.
Die beiden Katzenliebhaber vermochten es nicht nur, ihren begeisterten Zuhörern eindrucksvoll zu vermitteln, welche Aufregungen und Stimmungen sich aus dem Zusammenleben mit dem Kater „Nero“ oder der Katze „Bessy“ ergeben können, sie gaben gleichzeitig einen authentischen Einblick in das, was den guten Blues seit seinen Anfängen vor über 100 Jahren auszeichnet: Er gibt einen Spiegel der Seele des Interpreten ab. Die locker-launigen Moderationen von Altmeister Netzer wirkten dabei wie Gebrauchsanleitungen zum verständigen Hören. Dies war auch insofern durchaus hilfreich, als die überwiegend blueslastigen Musiknummern so angenehm und gefällig daherkamen, dass durchaus die Gefahr bestand, sie in den nur unterhaltsamen Untergrund zu verdrängen, gänzlich abzuschalten und sich kritik- und bewusstlos auf Wolke 7 davontragen zu lassen. Die professionelle Abgeklärtheit und zarte Ironie des Heilbronner Bluesspezialisten mit seinem erdigen Blues-Gesang, der Mundharmonika und Gitarre virtuos kombinierte, ließ einen aber die Bodenhaftung nicht verlieren.
Thomas Scheytt aus Freiburg war am Freitagabend vor allem der „dienstbare Geist“, der mit seiner stupenden Spieltechnik und viel Fingerspitzengefühl die ungewöhnliche Mixtur aus Gitarre und Piano sensibel klanglich auslotete, niemals nur duplizierte, sondern immer sinnvoll ergänzte, Kontrapunkte setzte, begleitete und stimulierte. Dass er auch ganz anders kann, hat er in mehreren Soloeinlagen eindrucksvoll vorgeführt.
