Konzertkritik vom Jazzkonzert mit Lilly Thornton am 27.10.2000
Lilly Thornton Quartett mit Vocal Jazz im Biberacher Jazzkeller
Technische Perfektion bei gedämpfter Leidenschaft
Erst die drei Zugaben machten den Konzertabend mit dem Lilly Thornton Quartett perfekt. Der Weg zum Blues war lang an diesem trübseligen Herbstabend im Biberacher Jazzkeller. Wohlüberlegt, glatt und perfekt wirkten alle Kompositionen und Arrangements. Die technische Raffinesse, die improvisatorische Versiertheit und der schier unerschöpfliche Einfallsreichtum des Tausendsassa Ulli Möck am Piano, die dezent aber verlässlich groovende Backline aus German Klaiber am Kontrabass und Dieter Schumacher am Schlagzeug waren das Trampolin auf dem der unumstrittene Star des Abends, die in der Schweiz heimische Lilly Thornton, ihre Luftsprünge vollführen sollte. Aber irgendwie wollte oder konnte die europaweit renommierte Jazz- und Soulsängerin nicht so richtig die Handbremse lösen.
Souveränes Timing, stiltypische Intonation und ein faszinierendes Timbre in der sonoren und wandelbaren Stimme ließen jedes Stück zum reinen Genuss werden, gediegen, edel und irgendwie schweizerisch. Aber die Höhepunkte, die erfüllten Augenblicke, in denen alles stimmte und die Musik nicht nur irgendwie nett dahinströmte sondern auch mitriss, die ließen auf sich warten.
Erstmals nach der Pause im zweiten Set kam Hoffnung auf. Ein mitreißender Soultitel ließ die Emotionen hochschnellen, die Stimme kam in jene Lagen und Lautstärken, in der sie zu funkeln und zu leuchten begann. Die drei männlichen Mitarbeiter der Sängerin strahlten mit dem heftig applaudierenden Publikum um die Wette. Einige nett gemachte Pop- und Rocktitel, darunter auch die Titelmelodie aus „Raumschiff Enterprise“, nahmen den Flammen jedoch schnell wieder die Nahrung. Allzu gefällig – auch die Beatles ließen aus der Ferne grüßen – ging es weiter, viel zu schnell dem Ende entgegen. Und nur wer Lilly Thornton näher kannte, etwa von ihren letzten Biberach-Konzerten vor nunmehr schon einer ganzen Reihe von Jahren, wartete immer noch auf mehr, auf den eigentlichen Durchbruch zur gewohnten Begeisterung und Leidenschaft. Spät, fast schon zu spät, mit der ersten bluesigen Zugabe flog dann doch noch der Deckel vom Topf. Mit sicherem Gespür für das Besondere erklatschte sich das Publikum gleich zwei weitere Zugaben, die ohne lange Ziererei auch bereitwillig gegeben wurden.
Gez. Helmut Schönecker