23.10.2015: Olivia Trummer – Jazzclub Biberach e.V.

23.10.2015: Olivia Trummer

Olivia Trummer Solo begeistert im Jazzkeller

Musikalische Wanderungen zwischen den Welten

BIBERACH – Mit Stücken aus ihrer brandneuen CD-Produktion – „Classical to Jazz One“ stellte sich die aus Stuttgart stammende und nach Jahren der künstlerischen Reifung in New York mittlerweile in Berlin lebende Jazz- und Klassikpianistin Olivia Trummer als Solistin oder im Duo mit sich selbst dem zahlreich angetretenen und hell begeisterten Biberacher Fanpublikum im Jazzkeller vor. Zahlreiche Preise im klassischen und im Jazzmetier, darunter auch die Finalteilnahme beim Biberacher Jazzpreis oder diverse Preise und Auszeichnungen für ihre bisher sechs eigenen CD-Produktionen zeugen von der Klasse der seit einigen Jahren auch mit einem Faible fürs Songwriting ausgestatteten Universal-Künstlerin.

Durchaus anspruchsvolle Klavierliteratur von Mozart oder auch Bach, der bereits in seiner Zeit als großer Improvisator galt und sogar mehrstimmig-polyphone Stücke aus dem Stegreif zu spielen vermochte,  als Ansatzpunkt für eigene Improvisationen im Jazzidiom zu wählen, scheint ein ganz kluger Schachzug. Nicht nur um sich mit dem Original zu messen und die eigenen Qualitäten im klassischen Bereich ins rechte Licht zu rücken, sondern vor allem um die ungewöhnliche Doppelbegabung auch in einem eigenständigen Stil zusammenzuführen und künstlerisch auf den Punkt zu bringen.

Olivia Trummer vermochte in ihrem ersten, ausschließlich der neuen CD gewidmeten Programmteil mit tiefer Intensität und struktureller Dichte das Publikum in Bann zu schlagen und zu begeistern. Im zweiten Teil führten eher leichtgängige, jazzaffine Popsongs mit romantischem oder poetischem Einschlag in die westliche Glitzerwelt des Jazzbusiness. Als Wanderer zwischen beiden Welten bewegt sich Olivia Trummer durchaus in der Nähe eines Bobby McFerrin, einem renommierten Jazzmusiker, der in der Öffentlichkeit jedoch meist auf seinen Hit „Don’t worry, be happy“ reduziert wird.  Mit ihm zusammen erhielt sie übrigens bereits 2011 im Festspielhaus in Baden-Baden in einem gefeierten Duett stehende Ovationen von einem begeisterten Publikum.

Intensität und Dichte des zweiten Programmteiles konnte mit dem ersten Set zwar nicht ganz mithalten, er gestaltete sich dafür jedoch überaus unterhaltsam und abwechslungsreich. Ob die Stimmung eines in ihrer New Yorker Zeit entstandenen Stückes wie „Fly Now“ – nach Aussage von Trummer verbunden mit der Vorstellung, auf der Spitze eines Hochhauses vor der Entscheidung zum Fliegen oder Abstürzen zu stehen – mit Hilfe impressionistisch gefärbter Ganztonleitern oder mithilfe anderer Stilmittel erzeugt wurde, ist für emotionale oder Unterhaltungshörer eher sekundär. Hilfreich für ein breites Hörerspektrum dürfte jedoch vor allem die poetische Verstehenshilfe sein.

Dass dennoch die mitgebrachten neuen CDs als erste ausverkauft waren, dürfte auch ein Beweis dafür sein, dass der neue Weg eine höhere künstlerische Durchschlagskraft besitzt. Zumindest bei einem durchaus feinsinnigen Biberacher Jazzpublikum, welches allerdings auch die beiden deutschsprachigen Zugaben „Es ist windig heut‘“ oder „500 Millionen“ aus der CD-Produktion „Poesiealbum“, vielleicht auch wegen ihrer Hintergründigkeit, durchaus zu würdigen wusste.

gez. H. Schönecker