„Maohl’s Gift“ im Jazzkeller
Auf der Suche nach dem roten Faden
BIBERACH – Glücklicherweise haben sie ihn noch nicht gefunden, den berühmten roten Faden. Die Wiener Jazzformation „Maohls‘ Gift mit ihrer neuen CD „In search of the red thread“ im Gepäck erwies sich für das Biberacher Konzertpublikum als erfreulicher Aktivposten und in Anlehnung an die doppelte Bedeutung des englischen Begriffes als eine Vergnügen, Kurzweil und Leben spendende musikalische „Gabe“ des Bandleaders und Komponisten Markus Ohler. Eine Gabe, die allerdings auch den notwendigen Biss hatte. Zwar war dieser nicht so gefährlich, wie der einer Giftschlange, geringe Mengen Gift können jedoch durchaus als Arznei wirken, was hier tatsächlich zu funktionieren schien. Überschäumende Lebensfreude, stilistische Offenheit, mannigfaltige Strukturen und heftige Interaktionen, auf starker Flamme aufgekocht von drei Wiener Musikern und mit Ohler einem gebürtigen schwäbischen Frontmann am Saxophon, verabreichten ihren gut aufgelegten Gästen im Jazzkeller ein kräftiges Lebenselixier. Kein gediegener Barjazz an der Grenze zur seichten Unterhaltung zum besseren Vergessen, keine meditative Wohlfühlmusik zum Auspannen, sondern kernige, kräftig zupackende „Grooves“ und „Moves“ mit avantgardistischen Tendenzen, expressiven Improvisationen und spannenden Dialogen ließen in einer erfrischenden Darbietung nichts anbrennen.
Die kantige Polyphonie der vier Individualisten, parallel geführte Hochgeschwindigkeitspassagen zwischen Gitarre (HP Freudenthaler) und Saxophon (Markus Ohler), ein harter, direkter Sound des schmatzenden, rustikalen Baritonsaxophons im Wechsel mit eher runden und weichen mitunter aber auch spitzen und schrillen Klängen des Es-Alt-Saxophones über eine mal nur im Hintergrund harmonisch füllende dann wieder eher rocktypisch verzerrte Lead-Gitarre, über blitzschnelle Dynamik-, Tempo- und Rhythmuswechsel – das stilistische Füllhorn von „Maohl’s Gift“ schien nie leer zu werden. Die musikalischen Ideen sprudelten in einer ansteckenden Lebendigkeit und Ausgelassenheit, die den Zuhörern immer wieder Sonderapplaus und begeisterte Zurufe entlockten. Ein niemals schematisch wirkender Unterbau aus Kontrabass (Bernd Klug) und Schlagzeug (Hubert Bündlmayer) trieb das Blut durch die Adern der energiegeladenen Bandmitglieder.
Suchen Musiker und Bands meist mühsam und oft auch vergeblich nach einem eigenen, charakteristischen Stil mit möglichst hohem Wiedererkennungswert um sich vom Mainstream abzusetzen und als etwas Besonderes zu profilieren, so haben „Maohl’s Gift“ den permanenten Wandel, den fliegenden Wechsel zum gestalterischen Prinzip erhoben. Den roten Faden zu finden, hieße danach, die Suche nach dem Neuen, nach dem Ungewöhnlichen aufzugeben, Neugierde durch Reife zu ersetzen, vielleicht sogar dazu, das Vergangene zu verklären und der Gegenwart den Rücken zu kehren. Hoffentlich finden sie ihn nie, den roten Faden.
gez. H. Schönecker