22.05.2015: Matthias Tschopp Quartet plays Miró – Jazzclub Biberach e.V.

22.05.2015: Matthias Tschopp Quartet plays Miró

Miró-Bilder inspirieren Schweizer Jazz-Quartett

Musikalische Bildkompositionen der besonderen Art

 

BIBERACH – Seit Vivaldis „Vier Jahreszeiten“, ja seit den Anfängen der reinen Instrumentalmusik vor rund vierhundert Jahren, suchen die Komponisten nach Inspiration und Sujets auch außerhalb der reinen oder absoluten Musik. Immer wieder waren es dabei Bilder, Geschichten oder Programme, die den Genius der „musici“ entflammten. Wer kennt nicht Mussorgskys berühmte „Bilder einer Ausstellung“? Der Gang der Geschichte wird zeigen, ob Tschopps „Miró“ dereinst in einer Reihe mit den großen Vorbildern steht oder als einer von vielen „Subventionskünstlern“ nur noch von buchhalterischem Wert ist.

Gleichwohl dürfte das Biberacher Jazzclubpublikum beim letzten Freitagskonzert in den Genuss einer einmaligen Erfahrung gekommen sein. Die abstrakte Strenge und Symbolkraft der auf eine Leinwand neben der Bühne projizierten Bilder Mirós gaben der musikalischen Vorstellungskraft der Hörer eine Richtung, luden förmlich dazu ein, nach Parallelen in den Farben und in der Aussage zu suchen. Eine interessante, eine faszinierende aber keineswegs einfache Aufgabe, der sich die Konzertbesucher mit sichtlichem Genuss hingaben. Dabei war es nicht zwingend erforderlich, aber durchaus hilfreich, wenn man sich zuvor mit den Bildern beschäftigt hatte, die auch den Kompositionen ihre Namen gaben.

Eines der bekanntesten Miró-Bilder „The Gold of the Azure“ (1967) machte den Auftakt. Wer den wollknäuelartigen blauen Fleck als Symbol für das Mittelmeer und den leuchtend gelben Hintergrund als mediterranen Sonnenschein begriffen hatte, tat sich leichter, die von der Fläche in einen dynamischen Prozess verwandelte musikalische Reinkarnation des Gemäldes zu verstehen. Der Pianist Yves Theiler webte solistisch den Wollknäuel über den der Bassist Luca Sisera eine feine wellenförmige Linie legte, aus der sich eine kraftvolle Melodie entwickelte, die den Wollknäuel umkreisend schließlich in diesen zurückführte um daraus eine virtuos leuchtende Baritonsaxophon-Improvisation des Komponisten Matthias Tschopp hervor zu zaubern, azurfarben und vom leuchtenden Gold der mediterranen Sonne stimmungsvoll geprägt. Einen besonders farbenreichen Groove legte Alex Huber am Drumset darunter.

Weitere Gemälde, wie „Bird, Insect, Constellation“ (1974) oder noch eindringlicher das „Portrait of a Young Girl“ (1935) aus Mirós wilden Jahren, waren in ihrer Expressivität so eindeutig, dass die musikalische Imagination fast zwingend erschien. Tiefschwarze Flächen mit den tiefsten Tönen des Baritonsaxophons in hoher Lautstärke mit Bedrohung zu assoziieren ist unmittelbar sinnfällig. Andere Gemälde, wie „Woman“ (1976) in seiner gendertypischen Widersprüchlichkeit oder „Silence“ (1969) bildeten echte Herausforderungen. Wurde Tschopp ersterem mit einer bluesähnlichen Komposition gerecht, so konnte die Vertonung der Stille nur über Kontraste erfolgen. Ein weiterer Weg bestand darin, die Bilder als eine Art grafische Partitur aufzufassen und minutiös in Musik umzusetzen. Geradezu genial gelang dies in „The Skiing Lesson“ (1966), einer farbenprächtigen Komposition, in der jedem Objekt im Bild ein konkretes musikalisches Ereignis zugeordnet werden kann.

Mehrere Zugaben, darunter besonders eindrucksvoll und voller Leidenschaft „Landscape on the Banks of the River Amur“ (1927), rundeten einen inspirierenden und inspirierten Konzertabend ab.

 

Helmut Schönecker