„The Toughest Tenors“ mit Hauptstadt-Jazz im Biberacher Jazzkeller
Straight Ahead – Direkt ins Kerngehäuse des Jazz
BIBERACH – Schon das Outfit der „Toughest Tenors“ fiel unter Jazzern völlig aus dem Rahmen. Die zwei Tenorsaxophonisten aus Berlin traten im Jazzkeller mit ihrer dreiköpfigen Begleitband in ziemlich untypischer „Berufsbekleidung“ an und auf: mit Anzug und Schlips gewandet, teilweise gar mit Hut. So entstand unmittelbar der Eindruck, hier seien die legendären „Blues Brothers“ wieder auferstanden. Es fehlten nur noch die dunklen Sonnenbrillen. Der Blues und vor allem der „Rhythm & Blues“ waren, neben allen Swing-, Bebop- und Hardbop-Einflüssen, unverkennbar und nicht nur als nie versiegende Kraftquelle vorhanden. Die professionelle Einstellung der Hauptstadt-Jazzer zur Musik war ebenso augen- wie ohrenfällig.
Bernd Suchland und Patrick Braun an den Tenorsaxophonen schafften es trotz aller Leidenschaft im Spiel nach außen hin „cool“ und eher unbeteiligt auszusehen. Dem inneren Temperament und der Musik tat dies glücklicherweise keinen Abbruch, diese Diskrepanz schien sogar weitere Energien freizusetzen. Der ungekünstelte, kraftvolle, mitunter rockig raue Saxophonklang wirkte direkt und unmittelbar, zupackend und entschlossen. Die Arrangements, zumeist Originale aus der Ära der großen Tenor-Saxophonisten der 50er und 60er Jahre des letzten Jahrhunderts, brachten zwar stilistisch wenig Überraschendes, holten dafür aber zu Unrecht fast Vergessenes wieder aus der Mottenkiste hervor, boten einen hohen Unterhaltungswert, hohen spieltechnischen Anspruch und einen direkten Weg ins Kerngehäuse des Jazz.
Die angekündigten „Battles“ zwischen den beiden Saxophonisten fanden zwar eher selten statt und am stimmungsvollsten waren bei aller Bop-Power doch die wenigen langsamen Stücke. „Chelsea Bridge“ in Anlehnung an Ben Websters herausragende Interpretation oder „Self-portrait in 3 colors“ von Charles Mingus gelangen in sonor entrückter Zweisamkeit. Die Qualität der Improvisationen auch in der Backline konnte die, zumindest an diesem Abend fehlenden Battles jedoch mehr als wettmachen. Dan-Robin Matthies am Kawaiflügel offerierte virtuose Improvisationen oder auf das Notwendigste reduzierte rhythmisch stimulierende Begleitpatterns in einem Ohrenschmaus erster Güte. Lars Gühlcke am halbgewachsenen Reise-Kontrabass lockerte mit gut strukturierten melodischen Improvisationen immer wieder das Gefüge der Stücke auf, Ralf Ruh am Drumset ließ mit seinen quirligen Grooves und knackigen Soloeinlagen nichts zur Ruhe kommen.
gez. H. Schönecker