Jazzchöre aus Stuttgart und Biberach können rundum begeistern
Wohlige Schauer, schräge Töne und stimmungsvolle Partysongs
BIBERACH – Am Ende eines kurzweiligen Doppelkonzertes der Jazzchöre aus Stuttgart und Biberach im Jazzkeller der Bruno-Frey-Musikschule traf die fulminante Gospelhymne „A Human Right“ aus der Feder von Tore W. Aas und dem Oslo Gospel Choir wohl genau den Nerv des begeistert skandierenden Publikums. Zuvor hatten beide Chöre einen abwechslungsreichen Querschnitt aus ihrem Repertoire geboten. Jazz-, Rock- und Popnummern, topaktuelle Songs, Oldies und Evergreens, die meisten mit Ohrwurmcharakter, erfreuten, neben Neubearbeitungen bewährter Jazz-Standards, das Publikum im ausverkauften Jazzkeller.
Während der Biberacher Jazzchor, zunächst noch verhalten aber stimmungsvoll und inspiriert mit dem Standard „My funny Valentine“ aus den 1930er Jahren den Konzertabend mit eher leisen Tönen historisch korrekt eröffnete, führte bereits der zweite Titel in die musikalische Gegenwart. Ed Sheerans „Thinking out loud“ in einer engagierten Interpretation von Jolanta Jarosinska sowie das frisch und frech daherkommende “All About That Bass” von Meghan Trainor, unterbrochen durch „Angel Eyes“, einem weiteren Swing-Standard aus den 1940er Jahren, verordneten dem Publikum stilistische Wechselbäder zum Aufwärmen und zur besseren Durchblutung. Verstärkt durch das „Trio Feuervogel“ aus Zwiefalten und instrumentale Aushilfen einiger Chormitglieder kulminierten die Darbietungen der Biberacher Einheizer in den eigens vom Chorleiter arrangierten Titeln „Black Orpheus“ und „Careless Whisper“. Abgerundet durch die in den 60er Jahren entstandene Zugabe „Moon River“ aus der Feder des legendären Henry Mancini machte der Jazzchor Biberach sodann die recht beengte Bühne frei für die Gäste aus Stuttgart, die unter der Leitung von Christiane Holzenbecher die Stimmung weiter anheizten.
Fast ausschließlich „a cappella“ gesungene Titel in bestechend sauberer Intonation auch „schräger Töne“ in verqueren Jazzharmonien sowie in höchst präziser Rhythmisierung zeugten nicht nur von den Früchten jahrelanger Zusammenarbeit mit Profis von „Manhattan Transfer“, „Flying Pickets“, „King’s Singers“ oder den „Wise Guys“ auf zahlreichen Workshops und Wochenendseminaren. Sie ließen auch auf hell begeisterte Chormitglieder sowie eine engagierte und disziplinierte Probenarbeit unter der Leitung von Christiane Holzenbecher schließen. Sie hat es sich trotz einer starken Erkältung auch nicht nehmen lassen, in der zweiten Zugabe noch selbst zum Mikrofon zu greifen und mit bluestypisch heiserer und rauchiger Stimme im witzigen Duell mit einem ihrer Chorsänger den „Hafer- und Bananenblues“ vom „Äffle und Pferdle“ zu zelebrieren.
Mit sichtlichem und hörbarem Enthusiasmus erklangen zuvor selbst so hochvirtuose Titel wie „Sir Duke“ von Stevie Wonder, „Java Jive“ (Manhattan Transfer), „Happy“, „Viva la vida“ oder „Uptown funk“. Auswendig vortragend konnten die rund 20 Sängerinnen und Sänger des leider etwas ersatzgeschwächt angetretenen Chores auf jeden Fingerzeig der umsichtigen Chorleiterin reagieren und in differenzierter Dynamik eine hochkarätige Interpretation nach der anderen abliefern. Eine Hommage ans Publikum waren so eingängige Stimmungsmacher wie das von den „Comedian Harmonists“ in den 1920er Jahren populär gemachte und von den Männern der Stuttgarter Truppe solistisch und mit gebührender Theatralik vorgetragene „Lass mich dein Badewasser schlürfen“, Irving Berlins swingender Foxtrott „Puttin‘ on the Ritz“ oder auch der in den 1930ern für ein jiddisches Musical entstandenen Swingtitel „Bei mir bist du schön“ und viele weitere Ohrwürmer.
Text: Helmut Schönecker
Fotos: Sophia Schönecker