Bartmes und Fola Dada begeistern im Jazzkeller
Psychedelische Soundfetischisten mit jazzigem Groove
Selten finden sich im Jazz Bandkonzepte, die den Parameter Sound so exzessiv in musikalische Struktur und Improvisation einbeziehen. Die Formation „Bartmes“ hat beim Freitagskonzert des Jazzclubs im Jazzkeller einem begeisterten Publikum ein solch ungewöhnliches Konzept vorgestellt. Traditionell gibt es im Jazz harmonische, melodische oder rhythmische Vorgaben innerhalb deren struktureller Grundlagen der Jazzmusiker Raum für spontane Einfälle findet, die er vielfach variiert und von unnötigem Beiwerk entkleidet. Jo Bartmes (Hammond, Pfeifen, Gesang) hat ins Zentrum seiner vierköpfigen Formation den Sound der Hammondorgel und eines Original-Leslie-Tonkabinetts aus dem Jahr 1958 gestellt.
Auch wenn er aus Gründen besserer Transportierbarkeit nicht die legendäre B3 zum Konzert nach Biberach mitgebracht hat, gelang ihm in Verbindung mit den rotierenden Leslie-Lautsprechern eine weitgehende Annäherung an den Kultsound der 60er und 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Bartmes hat sich jedoch nicht damit begnügt, nostalgisch dem alten Sound zu frönen oder alten Wein in neue Schläuche zu füllen, er hat durch Pfeifen, Singen und weitere Effekte das Klangspektrum erweitert sowie neue Formen und Strukturen in großer stilistischer Vielfalt ausgetüftelt. Als besonders gelungen darf die Einbeziehung von Frank Spaniol mit seiner Bassklarinette gelten. In Verbindung mit einer ganzen Batterie von Effektgeräten, die über Fußschalter betätigt eine Klangbearbeitung in Echtzeit ermöglichten, schaffte er eine immense Erweiterung des von Natur aus schon besonders vielseitigen Klanges der Bassklarinette. Unterstützt durch ein digitales Delay, welches ihm ermöglichte ganze Passagen aufzunehmen und zeitversetzt wiederzugeben, konnten so komplexe Form- und Klangstrukturen etwa im Stile der Minimal Music im Baukastenprinzip aufgebaut und der kleinen Besetzung quasi orchestrale Vielschichtigkeit entlockt werden. Auch wenn Bartmes zur Begleitung nur einen Schlagzeuger, Sebastian Merk, mit packenden modernen Grooves, aufgeboten hatte, entstand niemals der Eindruck hier fehle der Musik eine Akkordbegleitung. Jenseits endlos retournierter Standardbegleitpatterns entstand hingegen ein lebendiges Klangband, dem es an nichts mangelte. Den fehlenden Basspart ersetzte ganz nebenbei die Orgel.
Über dem komplexen instrumentalen Unterbau entfaltet sich Fola Dadas stimmungsvoller Gesang. Mal selbständig das melodische Geschehen anführend, mal vokal unterstützt von Jo Bartmes, mal als bloßer Soundeffekt im vielschichtigen Klanggebäude wirkt die Stuttgarter Sängerin und Dozentin Fola Dada, die auch aus Projekten mit Helmut Hattler bekannt ist, immer souverän, immer soulig, immer intensiv emotional und treffsicher groovend. Die meisten Titel des Abends entstammten der neuen CD „modular soul“ und stießen auch in der Liveversion auf große Begeisterung. Zwei Zugaben mussten unbedingt noch her, obwohl die Musiker wegen weiterer Auftritte gleich nach dem Konzert statt ins Hotel auf die Autobahn mussten.
gez. Dr. Helmut Schönecker