Andrea Mayer Quartett im Biberacher Jazzkeller
Ella Fitzgerald in prickelnder Lebendigkeit statt kalter Plastination
Wer ist Andrea Mayer? Das nette Mädchen von nebenan? Eine Allerweltssängerin, passend zu einem Allerweltsnamen? Schon die ersten Töne ihrer warmen, volltönenden Stimme ließen keinen Zweifel daran aufkommen, hier stand die Reinkarnation von Ella Fitzgerald auf der Bühne! In sonorer, klarer Altlage aber auch bis in die höchsten Höhen ihres unglaublichen Stimmumfanges mit charakteristischem natürlichen Timbre, in ihrem unbestechlichen Timing und dem vorzüglichen Scat-Gesang der wohl größten Jazzsängerin aller Zeiten kaum nachstehend, stellte die sympathische Ausnahmesängerin einem begeisterten Biberacher Publikum ihre Anfang des Jahres auf CD gebrannte Hommage an die Queen of Jazz vor. Und wie ihr großes Vorbild mit den renommiertesten Formationen ihrer Zeit, dem Oscar Peterson Trio oder der Count Basie Band tourte, so kam auch die in Freiburg lebende Jazzdiva mit einem illustren Trio nach Biberach.
Einer der besten jungen Jazzpianisten Europas, der gebürtige Ravensburger Rainer Böhm, sowie die beiden arrivierten und viel gefragten Begleitmusiker German Klaiber am Kontrabass und der in Biberach wohlbekannte Matthias Daneck am Schlagzeug unterstützten die unlängst auch vom Südwestfernsehen portraitierte Sängerin. Neben Ella Fitzgerald vor allem den längst zu beliebten Standards geadelten Kompositionen Duke Ellingtons verpflichtet, mit starkem Hang zum Blues und zur Ballade, zeigte sich das Quartett hoch motiviert und in bester Spiellaune.
Der Gefahr im Gedenken an die ganz Großen bloßen Retro-Jazz abzuliefern, entging die Truppe durch ironische Brechungen und durch manchen musikalischen Witz der Hintermannschaft. Neckische Spielereien untereinander, vor allem zwischen Daneck und Böhm lockerten die Stücke nicht nur auf sondern verliehen ihnen Geist und Seele. Auch wenn in diesem teils recht übermütigen Spiel das eine oder andere musikalische Angebot zur Zusammenarbeit unter die Räder kam, so etwa in Andrea Mayers vergeblichem Versuch zu einem musikalischen Dialog zwischen ihren Scat-Motiven und Böhms wilden Klavierarabesken in Billy Strayhorns „Take the A-Train“ zu kommen, ergab sich unter dem Strich eine prickelnde Lebendigkeit und eine durchaus konstruktive Auseinandersetzung mit dem musikalischen Material auf höchstem künstlerischen Niveau. Der Eindruck, dass hier dem Altbewährten Respekt gezollt, gleichzeitig aber auch keine falsche Ehrfurcht oder gar der Wille zur Konservierung zu erkennen war, hob die Musik des Quartetts in wohltuender Weise von vielen traditionell geprägten Nostalgikern ab. Hier gab es keine Plastination á la Gunther von Hagen zu erleben, der mit den Mitteln modernster Technik den fast lebensechten Organismus für die Ewigkeit präparierte; es gab keine auf Hochglanz gebrachte, zombiemäßig untote Remakes in inhalts- und ausdrucksleerer ästhetischer Klarsichthülle zu hören. Hier wurde aus dem Geist des Alten etwas Neues erschaffen, etwas originär Eigenständiges aus dem immer wieder die perlenden Klavierkaskaden Böhms, die sich in Permanenz wandelnden, stimulierenden Drum-Grooves von Daneck oder die in sinnlicher Klanglichkeit schwelgenden Bassimprovisation Klaibers hervorleuchteten um mit dem tief empfundenen Bluesgesang Andrea Mayers zu korrelieren. Zwei gerne gewährte Zugaben beendeten einen langen, kurzweiligen Jazzabend.