Mit Vollgas in die gute Laune
Travon Anderson und Walter Fischbacher Trio begeistern im Jazzkeller
BIBERACH – Waren viele Fans von Elisabeth Lohninger zunächst noch etwas enttäuscht darüber, dass die Diva wegen einer Stimmbandentzündung ganz kurzfristig nicht im Duett mit Travon Anderson beim Freitagskonzert des Jazzclubs auftreten konnte, so schmeichelte sich die samtweiche, dabei jedoch höchst modulationsfähige und ausdrucksstarke Stimme der amerikanischen Gospel- und Soul-Koryphäe den nach 2G-Regeln nur in reduzierter Zahl zugelassenen Gästen alsbald in die Herzen. Der energetisch zupackende Jazz-Rock-Fusion-Groove des international besetzten Walter Fischbacher Trios tat ein Übriges um die Stimmung zu heben und das Damoklesschwert der Pandemie in Vergessenheit geraten zu lassen. Es zeugte von der Professionalität des Trios und vor allem des routinierten Sängers Travon Anderson (und dessen ausgedehnter Sonderprobe am Nachmittag), dass es dem verbleibenden Programm an nichts mangelte.
Die immense Ausdruckstiefe und stilistische Bandbreite des in New York lebenden Sängers adelte selbst Titel von Gregory Porter, Tina Turner, Sting oder den Beatles. Keinesfalls dahinter zurück blieben aber die Originalkompositionen von Elisabeth Lohninger, die neben anderen Highlights im Abendprogramm auch auf ihrer jüngsten, im Lockdown von ihr und Walter Fischbacher in deren New Yorker Tonstudio „Lofish“ produzierten CD „Life Lines“ zu finden sind. Der Titelsong „Alegria“, mit lebhaften lateinamerikanischen Rhythmen verbreitete ganz im Wortsinn Lebensfreude pur, „Shadows Fall“ im relaxten Bossa-Feeling ging bevorzugt in die Beine, ließ manchen Fuß oder Kopf mitwippen. Selbst Sting‘s „Shape Of My Heart“ atmete durch Travon Anderson dessen entspannte Grandezza. Ausgedehnte, spielerische Schlagzeugsoli von Ulf Stricker, oft auch im virtuosen Dialog mit Walter Fischbacher am Kawaiflügel sowie inspirierte, melodische Soli am schlanken Reisekontrabass lösten wahre Begeisterungsstürme aus. Bei einem größeren Publikum hätte wohl der Saal getobt.
Walter Fischbachers Konzept, bekannte Titel aus der Rock-Pop-Soul-Ära der letzten Dekaden gewissermaßen als zeitgenössische Standards zu covern, ist durch und durch der Idee des Jazz verpflichtet, glücklicherweise ohne sich dadurch fesseln zu lassen. Liebevoll und überaus kundig mit den stilistischen Mitteln der über hundertjährigen Jazztradition aufbereitet und arrangiert, manchmal auch bewusst gegen den Strich gebürstet, jedoch immer sorgfältig in einen frischen, zeitgenössischen Fusion-Sound gekleidet und aus leidenschaftlich sprühender Spielfreude gespeist, animierten die Songs zum Mitfühlen, zum Miterleben und gelegentlich sogar zum aktiven Mitmachen.
Lang anhaltender Beifall sichtlich dankbarer Besucher fand sein Feedback in zwei Zugaben und – sicherlich auch der Vorweihnachtszeit geschuldet – einem reißenden Absatz der mitgebrachten CDs. Das Rundumwohlfühlpaket Fischbacher-Anderson vermittelte mehr als nur einen Hoffnungsschimmer in einer grauen, pandemiegeprägten Zeit. Befreites Durchatmen und zufriedene Gesichter des Publikums nach dem Konzert, lächelnde, aufgekratzte Musiker sowie entspannte Veranstalter wirkten nicht nur wie ein erfüllter Augenblick niveauvoller Unterhaltung sondern bargen das Versprechen auf eine hoffnungsvolle Zukunft.
Text: Dr. H. Schönecker
Fotos: W. Volz (Titelfoto), H. Schönecker (Galerie)