Walter Bittners „Double You-Be“ im Biberacher Jazzkeller
Extravagante musikalische Flausen im Kopf
Da wo die „Flausen im Kopf“ am größten waren, war auch die Musik am interessantesten. Skurrile, witzige, abwechslungsreiche und packende Collagen der Formation „Double You-Be“ aus Walter Bittners Augsburger Musikwerkstatt mischten beim jüngsten Jazzclubkonzert ihr Biberacher Publikum kräftig auf, stürzten es in ein wonnevoll kurzweiliges Wechselbad der Gefühle.
Vorprogrammierte musikalische Patterns und Loops, über Drumpads vom Schlagzeuger und Bandleader Walter Bittner gesteuert und – Apple sei Dank – ohne störende Latenzen virtuos mit den meist afro-lateinamerikanischen Live-Grooves des kuriosen Quintetts gemischt, erzeugten eine spannungsgeladene, höchst eigenwillige Mixtur mit schier unglaublicher stilistischer Bandbreite. Moderne Dance- und Hip Hop-Grooves vermengten sich organisch mit samba- und salsaartigen Rhythmen, klassische Horn- und Saxophonklänge verbanden sich wie selbstverständlich mit futuristischen Sample- und Synthi-Sounds der Techno-Branche zu ungewöhnlichen Klang-Konglomeraten als ästhetische Vorboten einer neuen Cross-Over-Ära. Nur an wenigen Stellen, wo Konzentration und Gestaltungskraft der Bittner-Truppe nachließen, drohte das divergierende Substrat in seine Einzelteile zu zerfallen und ließ vereinzelt eklektizistische Tendenzen aufzublitzen.
Die charismatische Frontfrau Ute Legner steuerte neben ihrem mannigfaltigen Gesang, der von Schnarch- und Grunzlauten über diverse Scat- und Rap-Einlagen, teils im Dialog mit dem virtuos-expressiven Saxophonisten Bobby Palleis, zu ausdrucksstarken Kantilenen reichte, auch einige Horneinlagen bei. Vom letzten Titel des Abends abgesehen durfte sie ihr Horn jedoch nur zu rhythmischen Bläserakzenten oder zur optischen Auflockerung einsetzen. Helmut Tröndle, am Flügel, an den Congas oder an diversen Perkussionsinstrumenten sowie als Komponist einiger Titel war, ebenso wie Klaus Füger am Kontrabass, so etwas wie der dienstbare Geist der Formation, immer präsent, verlässlich, dabei dezent im Hintergrund. Seine eher konventionellen Kompositionen offenbarten aber, wie viele der langsameren Titel und Balladen, allen voran der eher unterkühlt wirkende „Love Song“, auch eine der Schwächen von Bittners Konzeption. Expressive Inspiriertheit, sensible Untertöne oder tief empfundene Emotionalität sind Befindlichkeiten, die sich auf diese Weise nur schwer transportieren lassen.
Nach verhaltenem Beginn waren ab „Flash Beat“, dem letzten Titel vor der Pause, die Fünf wie „vom Blitz getroffen“, energetisch angereichert, inspiriert. Die Dramaturgie gegen Ende des zweiten Sets, unter anderem als programmatisches Highlight „Riddles on my mind“ oder „New Orleans 2nd line“ von der neuen CD, sowie eine ganze Reihe hochmotivierter Fans brachten schließlich den Jazzkeller beinahe zum Kochen und dem Publikum zwei gern gewährte Zugaben.