„DSDS“ im Biberacher Jazzkeller
Kurzweilig und unterhaltsam, bisweilen etwas makaber und mit einer gehörigen Portion schwarzen Humors ausgestattet, präsentierte das „einzige Bass-Saxophon-Quartett des Universums“ im Biberacher Jazzkeller feinsinnige Skurrilitäten oder auch rotzfreche Gemeinheiten im rustikalen Charme eines einzigartigen Klanggewandes. Vor allem die Stücke von der neuen CD „Dark Side of Deep Schrott“ (DSDS), die Anfang kommenden Jahres erscheinen soll, zeugen von einer erfrischend kraftvollen Innovationsfähigkeit der vier international renommierten Spitzenmusiker. Mit Wollie Kaiser, dem Gründungsmitglied der Kölner Saxophon Mafia und deren langjährigem Mitglied Dirk Raulf, Gründer und Kopf des Quartetts, kam auch ein guter Teil der musikalischen Konzepte dieses schon legendären Ensembles zu „Deep Schrott“.
Das Komponieren und Arrangieren für vier Bass-Instrumente stellt eine permanente Herausforderung an alle Beteiligten dar. Tonumfang und klangliche Möglichkeiten des Instrumentes müssen voll ausgenutzt und mit allen möglichen Tricks und Kniffen erweitert werden. Der verbleibenden klanglichen Uniformität muss eine große stilistische und spieltechnische Vielfalt gegenüber gestellt werden. So wurden Klappengeräusche, geräuschvolles Atmen ins Instrument, schmatzende, schnalzende, gurgelnde Töne oder auch die Sprechstimme zur Erweiterung des Klangspektrums ebenso ungeniert eingesetzt, wie stilistische Parforceritte durch Jazz, Rock, Pop, moderne Musik und Weltmusik unternommen wurden. Jan Klare aus Münster und Andreas Kaling aus Bielefeld komplettieren das originelle Quartett und steuern ebenfalls pfiffige Kompositionen und Arrangements zum abwechslungsreichen Programm bei.
„Deep Schrott“ bringen Bob Dylan und Hanss Eisler, „Smells like teen spirit“ von Nirvana aus den frühen 90ern, Stücke von Black Sabbath, Alice Cooper oder von “The Doors” aus den 60ern und 70ern zusammen. „Everybody must be stoned“, eine Hommage an den großen Melodienerfinder Dylan zu seinem 70sten, sowie eine Reihe von Eisler-Liedern, dessen Nähe zu Bert Brecht oder Adorno und der neuen Wiener Schule zur musikalischen Avantgarde der 50er und 60er Jahre führen, thematisieren die, gerade auch im Angesicht des neoliberalen Finanzgebarens im Vorfeld der jüngsten Schulden- und Eurokrisen, hochaktuellen Zusammenhänge und laden zur kritischen Reflexion ein.
Die Bezüge auf die Anfänge der “Hard & Heavy”-Bewegung in der Rockmusik bilden nicht nur verbale Anklänge an das musikalische „Schwermetall“ jener Zeit. Der sehr präsente Brachialsound des tiefen Saxophon-Blechs (das gleichwohl zu den Holzblasinstrumenten zählt) sowie die musikalische Struktur der Stücke, oft eine wechselnde Solostimme und drei, häufig ostinat geführte Begleitstimmen, spiegeln gleichzeitig die Intentionen der frühen Heavy-Metal-Bewegung wieder und werfen doch ein ganz neues, eigenwillig ironisches Licht darauf. Dass auch „Swingtitel“ oder Songs von ABBA (in der Zugabe) demontiert und neu zusammengesetzt Eingang ins Quartett-Repertoire finden, lässt in all der Ernsthaftigkeit künstlerischer Auseinandersetzung doch auch die hellen Seiten von Deep Schrott aufscheinen. Das Publikum zeigte sich von beidem begeistert und inspiriert.
gez. H. Schönecker