Howard Levy und Chris Siebold im Jazzkeller
Musikalische Weltklasse in Biberach
BIBERACH – Wer bisher der Ansicht war, dass die Mundharmonika als Volksinstrument oder auch als „Bluesharp“ eher für die einfacher strukturierte Musik gedacht und in ernst zu nehmender Musik nicht weiter von Bedeutung sei, der wurde beim Jazzclub-Highlight des Jahres eindeutig eines Besseren belehrt. Musikalische „Weltklasse in Biberach“ konnte man in der Vorankündigung werbewirksam lesen und das war keinesfalls übertrieben.
Für die Fachwelt und für langjährige Biberacher Jazzkonzertbesucher verbindet sich mit den Namen „Howard Levy“ und „Chris Siebold“ die Aufforderung, für ein Konzert im Biberacher Jazzkeller alles stehen und liegen zu lassen, um sich die weite Anfahrt in die kulturellen Zentren der Welt zu sparen und im eigenen Städtchen Musik auf Weltklasse-Niveau zu erträglichen Preisen geboten zu bekommen. Der Ausverkauf der mitgebrachten CDs bereits zur Pause zeugt von der Begeisterung des Publikums, gleich zwei Zugaben und das ehrliche Lob vom New Yorker Meister an der Harmonika für die stimmungsvolle Örtlichkeit („Be glad to have such an outstanding room“) und ein aufmerksames und beifallfreudiges Publikum zeugen von der Begeisterung der Musiker.
Howard Levy, einer der „weltbesten Mundharmonika-Virtuosen“ macht auf seinem einfachen Instrumentchen das Unmögliche möglich. Mehrstimmige, polyphone Kompositionen von Bach oder Beethoven, traditionelle und moderne Jazztitel, Paraphrasen über Beatles-Songs (Michelle), und vieles mehr, mit Witz und Tiefe – alles wurde möglich und alles konnte rundweg überzeugen. Nur mit zwei diatonischen Mundharmonikas und gelegentlich einem als Resonator dienenden Wasserglas ausgestattet, gelang es Levy – physiologisch eigentlich unmöglich – zwei unabhängige Stimmen und auch noch dazu alle denkbaren und undenkbaren chromatischen und enharmonischen Zwischentöne zu spielen. Hunderte von CD-Produktionen, eigene oder unter seiner Mitwirkung entstandene, gleich mehrere Grammys sowie unzählige internationale Preise und gefeierte Konzerte zeugen vom internationalen Kaliber dieses Ausnahmekünstlers.
Chris Siebold ist ein sympathischer Meister auf seinen sechs Saiten, wie Levy ebenfalls in vielen Stilen zuhause und daher der kongeniale Partner schlechthin. Einfühlsam, hochvirtuos und niemals um eine musikalische Antwort verlegen unterstützt und dialogisiert er mit Levy, der auch schon mal während eines Stückes zum Flügel wechselt oder gar beide Instrumente gleichzeitig spielt.
Bis ganz zum Schluss hob sich Chris Siebold eine herausragende Blues-Gesangs-Einlage auf, die das Publikum wegen ihrer Intensität und bluestypischen Charakteristik verblüffte und den Wunsch nach mehr aufkommen ließ. Ein äußerst kurzweiliges Konzert hinterließ von beiden Künstlern den bleibenden Eindruck, dass sie mit ihrem musikalischen Latein noch lange nicht am Ende sind und sich auch nicht auf einen engen Stilbegriff festlegen wollen. Ganz wie im Jazz eben.
gez. H. Schönecker