Grand Piano Summit im Jazzkeller
Biberacher Jazzpianisten-Gipfel
BIBERACH – Lukas Brenner, der aus Laupheim stammende Pianist des Bundes-Jazzorchesters und Student an der Musikhochschule Stuttgart eröffnete die Matinee des Biberacher Jazzclubs zur Einweihung des neuen Kawaiflügels im Jazzkeller der Musikschule. Die Auftrittsreihenfolge wurde erst unmittelbar zuvor auf der Bühne ausgelost. Vor einer berauschenden Publikumskulisse mit dreistelligen Besucherzahlen, musste der aus einem längeren Aufenthalt im Kurhaus Kempten sichtlich erholt zurückgekommene Kawaiflügel jetzt erstmals so richtig ran. Gleich fünf Jazzpianisten aus Biberach und der Region waren zu diesem seltenen und auch für die Gäste hochinteressanten Ereignis angetreten.
Lukas Brenner hat gleich zu Beginn in einem großen Wurf, mit einem rund 20minütigen Klavier-Recital einen Querschnitt durch verschiedene Spieltechniken und Kompositionsweisen geboten, die dem aufmerksamen Publikum größte Konzentration abforderten und in der Art eines Lehrstückes verschiedene Facetten des Jazzpianospiels exemplarisch aufzeigten.
Ohne Pause ging es weiter mit dem Biberacher Autodidakten Steffen Dietze, der in kurzen, leichter fasslichen Stücken, zumeist aus seiner vor wenigen Monaten im Rahmen eines Konzertgottesdienstes uraufgeführten Schöpfungsgeschichte, mit leichter Hand die Vorstellungskraft seiner Hörer anregte und in ferne Welten und Zeiten entführte. Die mystisch anmutende Darstellung des vierten Schöpfungstages, an dem Sonne, Mond und Sterne geschaffen wurden, gelang ihm in großer Eindringlichkeit. Dietzes Stil kann am ehesten als personalisierte, zeitgemäße Weltmusik mit großem Farbenreichtum und starkem Jazzeinschlag bezeichnet werden.
Nach einer weißwurstgesättigten Pause übernahm der erst kürzlich durch seine Projekte „Occupy Bach“ und „Funky Wieland“ in der Öffentlichkeit präsente Rolf Ritchie Golz. Er erwies sich als sympathischer Moderator seiner Kompositionen, die er nicht nur spielte, sondern gewissermaßen durchlebte. Die Auswahl der Stücke zeichnete seinen musikalischen Werdegang nach. „Reflections“, dem Bodensee gewidmet, den er in einer seiner ältesten Kindheitserinnerungen im gleißenden Sonnenlicht reflektieren sah, zeugten von der tiefen Verwurzelung seiner Musik in seinem ureigensten Wesen, zeigten aber auch die Unmittelbarkeit und Opulenz eines musikalischen Ausdrucks, der in Golz Erinnerung an den Kölner Dom durchaus Anklänge an Keith Jarrett (und dessen kultige Köln Concerts) assoziieren ließ. Mit einer wunderschönen Paraphrase über „Somewhere over the rainbow“ holte er sich und sein Publikum wieder in entspanntere Gefilde zurück.
Mit großem Fankreis angereist, durfte der seinerseits musikalisch weit gereiste Joe Fessele, dessen Herz unverkennbar im lateinamerikanischen Rhythmus schlägt, das Finale übernehmen. Wie Golz ebenfalls mit Entertainer-Qualitäten ausgestattet, bezog er das Publikum wiederholt mit ein und machte aus seinem Auftritt ein kurzweiliges Event. Natürlich durften Stücke wie „Libertango“ von Astor Piazolla in seinem Programm nicht fehlen. Überraschend dabei, dass es Fessele- oder auch Piazolla-Fans im Publikum gab, denen die improvisatorischen „Überarbeitungen“ der Originalkomposition aufgefallen waren. Nach einem, von Fessele aus aktuellen Anlass eingeschobenen „Baby Blues“, zelebrierte zum Ende der Darbietungen Fesseles Klavierschüler, der 16-jährige Senkrechtstarter Samuel Gapp, der sich gerade auf sein Abitur-Vorspiel vorbereitet, vierhändig mit seinem Lehrer den Titel „Nuevo Comenzar“ von Oscar Hernandez, an den Congas virtuos begleitet von Überraschungsgast Bernwart Schäfer.
gez. H. Schönecker