06.02.2009: Steffen Dietze & Thomas Laengerer – Jazzclub Biberach e.V.

06.02.2009: Steffen Dietze & Thomas Laengerer

Jazzkonzert der anderen Art

Quer gedachte „Lebensklänge“ für Hinhörer

Selten finden sich in einer ästhetischen Darbietung professionellen Zuschnitts so wenig konventionelle Anknüpfungspunkte, die eine Annäherung zwischen Künstlern und Publikum gewährleisten. Selten sind Chiffren und Strukturen  zwischenmenschlicher Verständigung in einer lyrisch-musikalischen Live-Darbietung so gegen den Strich gebürstet worden. Und noch seltener klappen Kommunikation und Interaktion  so verschiedener Künstler untereinander und mit dem Publikum dennoch so selbstverständlich und unspektakulär wie bei dem Projekt „Lebensklänge“ von Steffen Dietze und Thomas Laengerer beim letzten Jazzclubkonzert im Biberacher Jazzkeller.

Selbstverständliches („Die Erde ist rund“) und Alltägliches („Alltag“) mischten sich mit Tiefsinnigem, etwa Erich Frieds bekanntem Gedicht über die Liebe „Es ist was es ist“, Komischem („Jodok lässt grüßen“) , Surrealem oder auch Zeitkritischem („Der Mann mit dem Gedächtnis“). Natürlich, sympathisch und unaufgeregt setzte Thomas Laengerer seine treffend gewählten poetischen Texte in Szene, parlierte, deklamierte und rezitierte engagiert und mit durchgehendem Spannungsbogen. Musikalisch gerahmt, pointiert, kommentiert oder paraphrasiert wurden die Laengerschen Worte von Steffen Dietze am leider etwas verstimmten Steinwayflügel. Dietzes Eigenkompositionen und Improvisationen, teils zur besseren Verzahnung mit den Gedichten in einzelne Patterns  und Phrasen zerlegt, korrespondierten direkt oder indirekt mit den sprachlichen Bildern, Stimmungen und Gefühlen. Ob der teils melancholische, mitunter auch etwas entrückte Grundton der gelegentlich an „Minimal Music“ oder „Pop-Rock-Fusion“, oft jedoch auch an amorphe Klangcollagen so genannter „Entspannungsmusik“ erinnernden Stücke dem Ausdrucksgehalt der lyrischen Texte geschuldet war oder ob damit autonome musikalische Aussagen im Sinne des Konzertmottos „Lebensklänge“ intendiert waren, ergab sich nicht zwingend. Dem einen oder anderen Titel hätte in seiner literarischen Umgebung vielleicht etwas mehr Biss ganz gut angestanden. Dem eher auf Wohlklänge eingestimmten, ungewöhnlich zahlreichen, Publikum wäre damit allerdings der zweifellos vorhandene ästhetische Genuss abhanden gekommen, der mit dankbarem Beifall quittiert wurde. Die Gratwanderung der neueren Musik, die Zuhörer nicht mit unnötigen Dissonanzen zu vergraulen und dennoch die künstlerische Wahrheit auszusprechen, konnte in der „textjazzigen Hommage für Querdenker und Hinhörer“ nicht besser eingefangen werden. Der gelungene Versuch, Sprache und Musik auf durchaus innovative Weise zu verbinden und somit zum Nachdenken anzuregen, sollte dem Biberacher Gespann Motivation für weitere Unternehmungen dieser Art sein.

Gez. Dr. Helmut Schönecker